: Fusionen „im Prinzip“ okay
■ Die Schutzgemeinschaft der Kleinaktionäre hat weniger Probleme mit Firmenzusammenschlüssen als mit der Steuerreform
Frankfurt (taz) – Das Tempo der Fusionen hat im vergangenen Jahr weiter zugenommen, und schon sitzen wieder neue in den Startlöchern – wie Karstadt und Quelle. Die Hauptanteilseigner wechseln hin und her. Doch wie ergeht es all denen, die nur eine überschaubare Anzahl von Wertpapieren innehaben? „Kleinaktionäre und Großfusionen“ war das Thema der Jahrespressekonferenz der Schutzgemeinschaft der Kleinaktionäre (SdK) gestern in Frankfurt. Und der Vorsitzende Dieter Kauffmann zeichnete ein differenziertes Bild der größten Zusammenschlüsse.
„Im Prinzip“ begrüße die Interessenvertetung die beiden innerdeutschen Fusionen zur HypoVereinsbank und zu Thyssen-Krupp und die zwei „grenzüberschreitenden“ zu Aventis und zu DaimlerChrysler, sagte Kauffmann. Nur den Aktionären von Daimler sei jedoch ein freiwilliges Umtauschangebot von 1:1 gemacht worden. Also: eine Aktie von DaimlerChrysler für eine Aktie von Daimler-Benz. Das sei ein „fairer Tauschwert“, wie Gutachten von gleich fünf Wertprüfungsgesellschaften (WP) belegt hätten.
Bei Aventis habe dagegen nur ein WP-Gutachten vorgelegen. Zweifel über den Wert von Hoechst im Verhältnis zu Rhone Poulenc (4:3) hätten deshalb auf der außerordentlichen Hauptversammlung (HV) vor drei Wochen nicht ausgeräumt werden können – trotz der „endlosen Redebeiträge“, so Anneliese Hieke vom Vorstand des SdK, die damit insbesondere die Sprecher der Dachgemeinschaft der Kritischen Aktionäre meinte. Diese hatten dafür gesorgt, dass sich die HV über zwei Tage hinstreckte. Das Rederecht beschnitten sehen will Hieke aber auch nicht. „Wir befinden uns da in einem Dilemma.“ Schließlich sei bei hartnäckiger und wiederholter Befragung schon manchem Vorstandsvorsitzenden „ein Geheimnis“ entlockt worden.
Dennoch hat die SdK – im Gegensatz zu den Kritischen Aktionären – die Fusion zu Aventis insgesamt begrüßt, obwohl dort jetzt „mindere Aktionärsrechte“ herrschten, wie SdK-Vorstand Kauffmann einräumen musste. Das betreffe sogar so „wichtige Rechte wie die Vertretungsmöglichkeit auf der HV oder das Recht jedes Aktionärs, einen Gegenantrag einzubringen“. Trotzdem hatte sich die SdK ruhig stellen lassen – mit Sonderauschüttungen. Schließlich lautet ihr Motto ganz klar: Shareholder value.
Bei den „innerdeutschen“ Fusionen glaubt die SdK hingegen, eine „Lücke im Verschmelzungsrecht“ erkannt zu haben. Bei der Fusion zwischen Bayerischer Vereinsbank und Hypobank etwa hätten nur die Aktionäre der Hypobank als die „Übernommenen“ das Recht gehabt, die von den AGs vorgenommenen Bewertungen gerichtlich überprüfen zu lassen. Die Aktionäre der Vereinsbank, die als „übernehmende“ Bank fungierte, mussten den von ihrer AG festgelegten Umtauschkurs (4:3) hinnehmen. Dass die Hypobank tatsächlich zu hoch bewertet war, habe sich bei der Aufdeckung des „Immobiliendesasters“ gezeigt, sagte Kauffmann. Das Verschmelzungsrecht müsse deshalb reformiert und ein europäisches Aktienrecht geschaffen werden.
Und ansonsten? Ist die SdK recht zufrieden mit der allgemeinen Entwicklung. Aktiengesellschaften schießen in Deutschland wie Pilze aus dem Boden, und die Dividenden steigen (fast) überall. Sorge bereitet den Kleinaktionären nur die geplante Steuerreform. Bislang zahlten AGs 30 Prozent Körperschaftsteuer auf die ausgeschütteten Gewinne. Die Aktionäre bekamen eine Gutschrift über den gezahlten Betrag, die sie auf ihre Einkommensteuer anrechnen lassen konnten. Kleinaktionäre, deren Einkünfte aus Dividenden unter dem Sparerfreibetrag lagen, erhielten die Körperschaftsteuer also letztlich sogar erstattet. Jetzt soll das Unternehmen 25 Prozent Steuern entrichten, der Aktionär muss aber dafür seinen Anteil zur Hälfte ebenfalls versteuern (taz vom 28. 6.). Wird das „Steuerwirklichkeit“, will die SdK dafür kämpfen, dass die AGs weniger Dividende ausschütten, dafür aber „Berichtigungsaktien“ ausgeben – zum freien Verkauf. Da bleibe dann auch nach Steuerabzug mehr in den Taschen der Aktionäre. Shareholder value eben.
Klaus-Peter Klingelschmitt
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