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Wissenswertes über den Albaner ■ Von Wiglaf Droste
Der Albaner, altfränkisch auch Albanerer, ist medial stark ins Hintertreffen geraten. Speziell der Kosovo-Albaner gilt als Mädchenhändler, Messerstecher und Hütchenspieler. Eine Aufwertung seines Ansehens erfuhr er im Frühjahr 1999, als er emotional gegen den Serben in Stellung gebracht wurde. Im Krieg mutierte er vom natural born Bösbock zum Europameister im Flüchtlingstrekking und existierte quasi nur noch im Aggregatzustand Frau und Kind.
Aber das neue Tränenreich zerfiel rasch. „Aus der Krieg und aus die Maus, der Albaner geht nach Haus“, singt Innenminister Otto Schily am anthroposophischen Lagerfeuer. „Albaner, bist ein Stinkemann, auf den ich gut verzichten kann.“
Das ist gemein – nicht halb so gemein aber wie der Film „Julia und ihre Liebhaber“ von John Amiel, nach dem Roman „Tante Julia und der Kunstschreiber“ von Mario Vargas Llosa. Peter Falk spielt den Schriftsteller Pedro Carmichael, der Seifenopern fürs Radio schreibt – hinreißend schmierige Groschenstücke voller aufgetakelter Leidenschaft, hemmungslos kitschig und trivial. Damit ihm der Stoff nicht ausgeht, sorgt er für das, was er „Einfluss der Realität“ nennt. Als sich der 21-jährige Radioredakteur Martin in seine 35-jährige Tante Julia verliebt, schürt Carmichael das Feuer und hetzt die beiden mit allen Mitteln der Intrige in eine skandalträchtige Liebesgeschichte – die ihm wiederum als Vorlage seiner Radioschmonzetten dient.
Die tragende Rolle der Watschenmänner kommt dabei den Albanern zu. Von „hartbrüstigen albanischen Melkerinnen“ ist die Rede, von „tierischen sexuellen Gepflogenheiten“ und vom „Brauch, für die natürlichen Bedürfnisse einen Eimer zu benutzen, der sich im selben Raum befindet, in dem sie essen und schlafen.“ Während albanische Gruppen auf der Straße protestieren, legt Carmichael nach: „Du fährst wie ein einarmiger Albaner mit Filzläusen!“ Auch der Dialog zwischen den Liebenden dreht ab: „Ich wäre lieber ein albanischer Ziegenhändler, als dich zu verlassen!“ – „Nein! Es ist abscheulich! Es ist unnatürlich! Es ist inzestuös! Es ist total albanisch!“
Die Albaner, die auch „die Brust kriegen, bis sie zehn sind“, drohen den Sender in die Luft zu sprengen – was Carmichael zu einem grandiosen Finale inspiriert: „Entschuldigen Sie, Sir. Ein Albaner ist da draußen. Er macht etwas Unnatürliches mit Ihrem deutschen Schäferhund.“ – „Gütiger Gott, Mann, was treiben Sie denn da mit meinem Hund?“ – „Oh, Entschuldigung, Officer. Ich habe Ihren schönen, starken Schäferhund gesehen. Und ich habe übermächtiges Verlangen. Ich mag Tiere nun mal. Alle Tiere mag ich. Hund, Schwein, Ziege. Sogar Hühner. Ich liebe kleine, flauschige Hühner.“ – „Guter Gott im Himmel, Mann. Das ist keine Entschuldigung. Welchen Grund haben Sie für Ihr abscheuliches Verhalten?“ – „Ist einfache Erklärung, Sir. Ist alter albanischer Brauch. Wir lieben Tiere auf diese Weise.“ Und dann brennt der Sender.
Warum er das schreibt, erklärt Carmichael so: „Jeder Mensch muss etwas haben, das er hassen kann. Hass brennt. Hass brennt wie Liebe.“ Und auf die Frage „Aber wieso die Albaner?“ gibt er die einzig mögliche Antwort: „Wieso nicht?“
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