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Mit Betonschach an die Spitze

Der Neu-Zähringer Wladimir Kramnik will sich durch den Gewinn der Fide-Schach-WM in Las Vegas für einen Titelkampf mit Konkurrenzchampion Garri Kasparow empfehlen    ■ Von Hartmut Metz

Berlin (taz) – „Ja, ja, und für uns spielt Garri Kasparow!“ Solche Kommentare bekommen Christian Maier und Christof Herbrechtsmeier derzeit öfter zu hören, wenn die Macher von Schach-Zweitligist SK Zähringen von ihrem spektakulären Neuzugang berichten. Just nachdem das badische Aushängeschild wieder einmal aus dem Oberhaus abstieg, will der Freiburger Traditionsverein zumindest in der neuen Klasse eine ordentliche Rolle spielen. Entscheidender Trumpf hierbei: Wladimir Kramnik, der am Samstag in Las Vegas die dritte Runde der Weltmeisterschaft mit einem 1,5:0,5-Sieg gegen den 68-jährigen Wiktor Kortschnoi beendete.

Da es den Zähringern an Sponsoren mangelt, verblüfft das Engagement des Weltranglisten-Dritten. SK-Kapitän Christian Maier löst das Rätsel auf: „Wladimir will sich in Freiburg ansiedeln. Wir helfen ihm bei den Vorbereitungen dazu und vor allem den Formalitäten.“ Der 24-Jährige stammt aus Tuapse am Schwarzen Meer und wohnt noch in Moskau. In der Abgeschiedenheit des Breisgaus, wo Schach-Weltstars, anders als in seiner Heimat, unbehelligt ihrem Tagewerk nachgehen können, möchte sich der Russe künftig auf die Topturniere in Westeuropa vorbereiten. Die Anreise dazu ist von der Basis Freiburg aus weit weniger beschwerlich.

„Der entscheidende Vorteil Kasparows ist sein Sekundantenstab, er kann sich für alles einen Helfer leisten, während Kramnik einen großen Teil selbst erledigen muss. Hier liegt auch unsere Aufgabe: Wir versuchen, die Bedingungen für ihn zu verbessern“, nennt Maier den Beweggrund, warum das As den Absteiger einem zahlungskräftigen Bundesligisten vorzog. Das große Ziel des früheren Punktegaranten von Empor Berlin ist es schließlich, den zwei Positionen besser notierten Kasparow vom Thron zu stoßen.

Die Voraussetzungen dazu bringt keiner mehr mit als der vierfache Sieger der Dortmunder Schachtage. Als einziger Topspieler besitzt der 1,95 Meter große Stoiker eine ausgeglichene Bilanz gegen das „Biest“ mit 15 Siegen wie Niederlagen sowie 39 Unentschieden. Um die Chance auf ein Match gegen den Weltmeister zu erhalten, sieht Kramnik nur eine Möglichkeit: „Ich muss die K.o.-WM des Weltverbandes Fide in Las Vegas gewinnen.“ Dann könnte den eigenwilligen Garri Kasparow, der seinen Titel nach der Trennung von der Fide 1993 nach eigenem Gutdünken verteidigt, oder auch nicht, ein lukratives Duell locken. Als Fide-Champion würde „Mister Platz zwei“ zudem endlich seinen Spitznamen abstreifen.

Derzeit beklagt Kramnik eine gewisse „Ideenlosigkeit“ in seinem Spiel – trotzdem ist das „Betonschach“ des Neu-Zähringers kaum zu durchbrechen. Die Topturniere in Wijk aan Zee (Niederlande), Linares und Dos Hermanas (beide Spanien) sowie Dortmund überstand Kramnik als einziger Großmeister ungeschlagen.

Allerdings beinhaltet der Rekord von 49 Partien ohne Niederlage seit Januar 38 Unentschieden bei lediglich 11 Siegen. Zu wenig, um den aggressiver eingestellten Garri Kasparow von Platz eins zu verdrängen. Aber gut genug, um bei der Fide rund 38.000 Dollar Preisgeld sicher zu haben.

Vor dem Achtelfinale von Las Vegas, in dem er auf den Bulgaren Weselin Topalow trifft, ist der topgesetzte Kramnik bei den englischen Buchmachern mit einer Quote von 4,5:1 Favorit auf den Titel. Alexej Schirow (5:1) tat sich gegen den Brasilianer Gilberto Milos in Partie zwei erneut schwer und ließ den 1:1-Ausgleich zu. Den achtfachen Einsatz erhielte der Wettfreudige bei einem Erfolg der Briten Nigel Short und Michael Adams, dahinter folgen der Ukrainer Wassili Iwantschuk (9:1) und der 19-jährige Geheimtip Peter Leko (11:1). Lekos ungarische Landsmännin Judit Polgar brächte als erste Dame auf dem Herren-Thron stolze 67:1.

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