piwik no script img

Kopf- und herzlos

■  Von der Marke „Econy“ bleibt dem Wirtschaftsmagazin nur noch der Name – seine Erfinder entwickeln ihre Ideen jetzt anderswo

Michael Werner ist nicht zu beneiden. Werner ist Verlagsleiter beim Mainzer Verlag für Wirtschaftsmedien VFW und hat keinen Chefredakteur für sein schönes neues Wirtschaftsmagazin Econy, das schon in wenigen Tagen Redaktionsschluss für seine erste neue Ausgabe hat. Zu dumm, denn sonst hat der 34-Jährige eigentlich alles, was man braucht: Titel, Vertrieb, Anzeigenkunden, Abonnenten und eine zumindest vorläufige Redaktion, über deren Zusammensetzung allerdings nichts Näheres gesagt wird.

Wie kommt's? Werners Chef nämlich, der Verleger Olaf Theisen, hat eine Zeitung ohne Redaktion gekauft – und zwar von denjenigen, die Econy erfunden haben, von Gabriele Fischer (45) und ihrer Firma Brandeins aus Hamburg. Das formal wie inhaltlich innovative Wirtschaftsmagazin für Unternehmensgründer hat in den 16 Monaten seines Bestehens von sich Reden gemacht. Im April 1998 vom Spiegel-Verlag gegründet, sollte das Heft nach nur zwei Ausgaben wegen schlechter Verkaufszahlen eingestellt werden. Die Chefredakteurin Gabriele Fischer kaufte daraufhin den Titel und brachte das Heft selbst heraus. Anfang des Jahres stieg der Mainzer Verlag bei Econy ein, und die Firma von Frau Fischer hieß fortan Brandeins. Doch der Ärger ging weiter, bis es Mitte Juli zur Vertragsauflösung kam. Seitdem darf der VFW ein Heft herausbringen, das Econy heißt, aber nichts mehr mit seinen Erfindern zu tun hat.

Dieses Chaos ist in vielerlei Hinsicht bemerkenswert. Zum Beispiel, weil der Verlag für Wirtschaftsmedien bislang noch gar keine verlegt, denn er wurde vom Mutterhaus, der VF Verlagsgruppe (Oldtimer Markt, Fördern und Heben) erst im Februar diesen Jahres gegründet. Oder auch, weil Econy wirtschaftlich noch nie besonders erfolgreich war: Im II. Quartal 99 verkaufte sich am Kiosk mit rund 18.000 Exemplaren gerade mal ein Drittel der Druckauflage, und die 5.000 Abonnenten sind eher eine Fangemeinde als ein solider Käuferstamm. Um nun aus Econy eine Goldgrube zu machen, wird es daher größerer Anstrengungen bedürfen als der von Werner angekündigten Detailänderungen, bei denen weder Layout noch Konzept angetastet würden.

Was genau an Econy geändert werden soll, musste beim VFW schon mal ohne neuen Chefredakteur beschlossen werden, denn die Suche ist langwierig. „Auf jeden Fall wird es jemand sein, den man in der Branche kennt“, versicherte Michael Werner kürzlich und fügte hinzu, dass sie „ganz kurz vor der Vertragsunterzeichnung“ ständen. Jetzt sagt Werner, dass „die Verhandlungen noch andauern, weil der VFW eine langfristig tragfähige Entscheidung treffen will“. Wie der Verlag außerdem schnell das Team herbeizaubert, das erfolgreicher mit einem fremden Konzept arbeitet als dessen Erfinder, steht in den Sternen.

Der VFW Verlag jedenfalls sitzt nun da mit seiner gekauften Idee und dem wirtschaftlichen Drumherum für das neue alte Econy. Dessen Herzstück war seine Glaubwürdigkeit, denn Econy berichtete nicht nur über riskantes Unternehmertum, bislang praktizierten es die Macher auch. So begeistert waren die Kollegen von den anderen Medien von Frau Fischer, dass sie auch das kleinste Stühlerücken bei Econy ausführlich kommentierten – und für den VFW nur Häme übrig hatten.

Dabei hat doch auch Gabriele Fischer ein Problem. Den Titel Econy ist sie ebenso los wie die Anzeigenabteilung, Abokartei, Vertrieb und Druckerei. Dafür hat sie schon wieder ehrgeizige Pläne für ein neues Wirtschaftsmagazin. Mit ihrer alten Redaktion und ihrem bewährten Designer will sie nun innerhalb von zwei Wochen ein Heft erstellen, das als „Weiterentwicklung von Econy gedacht ist. Wir sind schnell und können Hefte machen“, sagt Fischer zuversichtlich.

Seit letztem Donnerstag hat sie auch Geldgeber für das neues Heft – wen genau, sagt sie nicht: Das Kapital komme „von Persönlichkeiten, die in der Neuen Wirtschaft verankert sind“. Mit dreien von ihnen werde sie bald eine Verlagsgesellschaft gründen.

Am 24. September wird das Heft dann am Kiosk liegen – vermutlich direkt neben dem neuen alten Econy. Dann werden die Kollegen von den Medien ganz genau vergleichen können – und die Käufer auch. Katrin Viertel

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen