: Heilsame Wundertüte
Ob Asthma, Augenkrankheiten oder Aids: Der Cannabis-Wirkstoff THC kann Beschwerden lindern. Die Front der Hanfgegner bröckelt ■ Von Hubert Bätz
Irene Weber raucht regelmäßig Cannabis. Die 50-jährige Schleswig-Holsteinerin aus Husbyholz, seit 15 Jahren HIV-positiv, ist überzeigt, daß sie deshalb bis heute nicht unter Gewichtsverlust leidet und sich „rundum wohl“ fühlt. Für ihren Hamburger Arzt läßt sich ein „direkter Einfluss von Cannabis bei Aidspatienten zwar schwer nachweisen“. Aber „mit Sicherheit kann die durch das Rauchen positive Stimmung guten Einfluß auf den Krankheitsverlauf nehmen“, sagt Christoph Manegold, der in der HIV-Ambulanz am Tropenmedizinischen Institut arbeitet. „Ich rate deshalb bei diesem aus medizinischer Sicht harmlosem Genuß weder ab noch zu.“
Hanfpräparate wie das nur in den USA erhältliche Marinol (in Deutschland seit 1998 rezeptfähig, damit kann es von Apotheken importiert werden) wirken appetitanregend und können so gefährlichem Gewichtsverlust zum Beispiel bei Krebs- oder Aidskranken vorbeugen. Das belegen Forschungen, wie sie der in Köln ansässige Verein „Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin“ dokumentiert. Der Zusammenschluss von Ärzten, Apothekern, Juristen, Patienten und anderen Interessierten aus dem deutschsprachigen Raum beschreibt in seinen „ACM-News“ die Wirkung als Medikament oder Heilkraut.
Zum Beispiel bei Multipler Sklerose, Bronchialkrämpfen, Asthma oder Augenkrankheiten. Der Can-nabis-Wirkstoff Delta-9-Tetrahydrocannabiol (THC) löst Krämpfe und Verspannungen, hilft bei Schmerzen, gegen Übelkeit und Erbrechen; die Harze der Pflanze können, weil sie den Augeninnendruck senken, bei grünem und grauem Star eingesetzt werden.
Auf der Liste der illegalen Drogen steht Cannabis trotzdem – noch. Nach Informationen von „Cannabis als Medizin“ bröckelt langsam die Front der Hanfgegner in den politischen Lagern. So wird in den USA Marinol (seit 1985 auf dem Markt) in diesem Jahr erstmals auf der weniger restriktiven Liste III des Betäubungsmittelgesetzes eingestuft, diskutiert man seit Mai in England über die Aufhebung des Cannabisverbotes, plädiert die Schweizer Drogenkommission für eine Legalisierung von Hanf als medizinischem Mittel.
Und auch in Deutschland tut sich was: PolitikerInnen wie die grüne Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Christa Nickels, wollen nicht nur Hanf als Medizin salonfähig machen und erreichen, dass die Krankenkassen generell und nicht wie bisher im Einzelfall die Kosten für Medikamente auf Hanfbasis übernehmen. Sie plädieren generell für die Freigabe von Cannabis auch als Genussmittel, so der Hamburger Arzt und gesundheitspolitische Sprecher der GAL, Peter Zamory, gegenüber der taz.
Legal, illegal – für Irene Weber ist das kaum von Belang. Sie raucht weiter und baut Hanf für ihre Zwecke an: „Ich spare doch den Krankenkassen seit Jahren Geld – und sollte die Polizei mich wegen meiner Pflanzen besuchen, dann werde ich denen kräftig Bescheid geben.“
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