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Der Handyman – männlichster aller Männer    ■ Von Karl Wegmann

Manche Klischees stimmen einfach. Ohne jeden Zweifel stimmt das mit den dicken Autos und den Männern. Sie wissen schon: Großer, schneller Wagen = kleiner, lahmer Schwanz. Wenn sich Männer mit schwerem Schmuck und fetten Uhren behängen, heißt das natürlich, dass das Gehänge in der Hose nicht vorhanden ist. Oder wenn sie künstlich Muskeln aufbauen, weil der Muskel zwischen den Beinen fehlt. Alles bekannt, bewiesen und ziemlich traurig. Aber es gibt ja noch einen anderen Penis-Ersatz und der ist recht lustig: das Handy!

Ja doch, Handy. Immer mehr Männer tragen ihr Handy wie weiland der Revolvermann sein Schießgerät gut sichtbar am Gürtel. Und dass der Sechsschüssige mit langem Lauf nichts anderes als Schwanzersatz war, steht ja wohl außer Frage. Da das Tragen von Handfeuerwaffen in diesem unseren friedlichen Lande leider nicht mehr erlaubt ist, braucht der männliche, aber schwanzlose Mann natürlich einen Ersatz. Da bieten sich an: Mercedes oder BMW, Rolex oder Kampfhund oder alles zusammen.

Wer nicht so viel Geld hat, aber trotzdem als Mann durchgehen möchte, schafft sich ein Handy mit Gürteltasche (Holster!) an. Das signalisiert: Männlich und wichtig.

Der echte Handyman besorgt sich sein Holster von einer angesagten Firma wie „Tatanka“ oder „Jack Wolfskin“. Nur mit so einem schicken und wasserdichten Ding an der Hüfte ist der Handyman echt und kann sich richtig frei fühlen. Es wurden auch schon Männer mit zwei Holstern gesehen. Das sieht noch viel männlicher aus und ist praktisch – im zweiten Holster stecken fünf Akkus. So ausgerüstet kann der männliche Mann der Welt und den Frauen angstfrei gegenübertreten.

Geht man an einem ganz normalen Tag durch einen Park, so sieht man zwar jede Menge Frauen, die telefonieren, aber nur ganz wenige Männer. Nicht, dass die ihr Handy nicht dabei hätten. Im Gegenteil, aber es macht sich an der Hüfte einfach besser als am Ohr.

Der Handyman stakst O-beinig durch die Gegend, obwohl er längst kein Reittier mehr unter sich hat, und ist cool wie Hendry Jones, den Nichteingeweihte nur unter dem Namen „Billy the Kid“ kennen. Es wurden schon Handymen gesehen, die versuchten, aus der Hüfte zu telefonieren. Wie damals die „Gunfanner“, die den Abzug abgefeilt hatten und feuerten, indem sie die linke Hand flach über die in der rechten Hand gehaltene Waffe führten und auf diese Weise den Hahn mehrmals schnell hintereinander betätigten. So weit ist der Handyman noch nicht – aber er ist auf dem besten Weg. Und die Industrie hilft ihm dabei, indem sie Modelle auf den Markt wirft, die, leicht gekrümmt, einem Schießeisen immer ähnlicher sehen. Zu Weihnachten bringt Siemens das Modell „Peacemaker“ heraus – einhunderttausend Vorbestellungen sprechen eine deutliche Sprache. Viagra ist längst vergessen.

Nimmt man oder frau dem Handyman sein Gerät, fühlt er sich nackt. Na prima, mag sich man oder frau denken, jetzt geht aber die Post ab. Pustekuchen! Wenn überhaupt was geht im Bett mit einem Handyman, dann nur mit eingeschaltetem Dauerrufzeichen, was wiederum auf Außenstehende eher lusthemmend wirkt. Aber einen Vorteil hat der Handyman: Er ist jederzeit erreichbar.

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