: Nichts ist so schlimm wie Nichtstun
■ Atemlos und mit subtiler Spannung erzählt der Thriller „Warten ist der Tod“ auf Arte heute die Geschichte von drei Ganoven, deren Probleme erst nach dem Überfall beginnen
Es passiert eigentlich nichts. Das ist der Grund, weshalb einer nach dem anderen die Nerven verliert.
Es ist kaum vorstellbar, dass sich ein Thriller mit einem derartigen erzählerischen Vakuum zweimal eineinhalb Stunden lang beschäftigen kann, ohne auch nur eine Minute lang ins Nichts zu fallen. Dass er in jedem Moment spannend bleibt. Atemlos verfolgt man den Fortgang einer Handlung, die sich eigentlich gar nicht von der Stelle bewegt. Vor vier Jahren ehrenvoll entlassen, sind die drei Luftwaffenflieger Jürgen, Klaus und Max im zivilen Leben traurig abgestürzt: Der eine verspielte seine Abfindung, der nächste hadert mit seiner Existenz als Pornokinobesitzer, den dritten hat das Schicksal in Form eines missglückten Aktiengeschäfts zum Bademeister degradiert.
Jetzt plant das Trio den rettenden Coup: Die Reserveoffiziere wollen ihren alten Fliegerhorst überfallen, wo während einer Flugschau die Kasse mit den Eintrittsgeldermillionen nur unzureichend bewacht werden. Für ein paar technische Details müssen sie allerdings den Kleinganoven Max engagieren. Und was den betrifft, geht das Gerücht, er habe bereits einen Menschen auf dem Gewissen. Der Überfall gelingt, die Beute ist stattlich: Sieben Millionen Mark haben sie ergaunert.
Nun aber beginnt die Zeit des Wartens. Mit gutem Grund hatten die Ex-Soldaten geschworen, sechs Monate lang das Geld nicht anzurühren. Aber die Versuchung ist zu groß. Die Aussicht, das alte, triste Leben wieder aufnehmen zu müssen, wird den drei Freunden zur Tortur. Es dauert nicht lange, bis sie sich gegenseitig das Leben zur Hölle machen.
Panik treibt sie um. Soll man abhauen? Aufgeben? Alles hinwerfen? Nichts ist so schlimm wie das Nichtstun. Eines Morgens wird Klaus, vom Auto überfahren, in einem Straßengraben gefunden. Warten ist tatsächlich der Tod ...
Das Drehbuch von Hartmut Schoen verlässt sich nicht allein auf den Thrill eines kriminalistischen Plots. Die Polizei taucht nur am Rande auf. Der Autor und Regisseur benutzt seine üppige Erzählzeit lieber dafür, detaillierte Charakterstudien seiner Helden zu betreiben. Mit Ulrich Tukur als heruntergekommenem Bademeister und Barbara Auer als seiner frustrierten Frau hat er seine zwei zentralen Figuren hervorragend besetzt. Auch die Darsteller Henry Hübchen und Thomas Thieme geben ihren Nebenrollen erstaunlich viel Kraft mit. Und selbst Miniauftritte wie den von Walter Schmidinger nutzt der Film für seine Dramaturgie der subtil aufgebauten Spannung.
Der heimliche Star des Krimi-Zweiteilers ist freilich Jörg Schüttauf als der harmlose Kleinganove Mike, der ein bisschen tolldreist aufgeschnitten hat, bis ihn plötzlich alle für einen brutalen Killer halten.
Neben den hervorragenden Schauspielern bietet der Film eine schnörkellose Inszenierung auf. Hartmut Schoen verzichtet in seiner Inszenierung weitgehend auf Effekte. Es gibt kaum hektische Schnitte; keine Verfolgungsjagd bedient die Klischees des Genres. Gleichzeitig aber versteht es der Regisseur kunstvoll, mit unerwarteteten Perspektivwechseln dem Zuschauer immer wieder neue Verdächtige, Fährten und Gefahren anzubieten.
Es ist das Spiel mit den eigenen Fantasien, das die Spannung in „Warten ist der Tod“ immer wieder neu antreibt. Die düstere Kamera von Peter Döttling und die verschwitzte Atmosphäre des alten Berliner Dampfbades (Ausstattung Eduard Krajewski) schaffen die perfekte Kulisse für einen spannenden Thriller, in dem die tödliche Gefahr eben darin besteht, dass alles passiert, weil nichts passiert. Klaudia Brunst
„Warten ist der Tod“, Drehbuch und Regie: Hartmut Schoen; Teil 1: heute, 20.45 Uhr, Arte; Teil 2: morgen 20.50 Uhr, Arte
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