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Und sie bewegt dich noch

Herzlichen Glückwunsch: Die Werkstatt 3, das entwicklungspolitische Zentrum in Hamburg, feiert 20sten Geburtstag  ■ Von Gernot Knödler

Die Werkstatt 3 ist ein Mekka für Spione. Irgendeine der Gruppen in dem „Dritte Welt Zentrum“ in Ottensen fand immer das Interesse von Geheimdiensten oder Agentenfreunden. Durch die Räume der taz hamburg, die von 1981 bis 1989 in der ehemaligen Shampoo-Fabrik produziert wurde, schlich Mitte der 80er Jahre ein IM „Jan“ vom DDR-Ministerium für Staatssicherheit. Schockiert notierte der Realsozialist: „Anscheinend ist das ehemalige Dralle-Gebäude ein Unterschlupf für alle möglichen autonomen, sich links und revolutionär, antifaschistisch und oppositionell gebärdenden Gruppierungen ohne einheitliche Führung. Alles ein bisschen hochtrabend und verlottert.“

Und noch heute interessiert sich das MfS-Pendant Verfassungsschutz für die Vereinigung für sozialistische Politik (VSP), die ebenfalls die Räume der Werkstatt 3 im Nernstweg 32-34 nutzt. Eine große Gefahr vermögen allerdings auch die Verfassungsschützer nicht zu erkennen: Die VSP sei eine „linksextremistische Organisation mit geringen Aktivitäten und abnehmender Bedeutung“, urteilen die Schlapphüte. Trotzdem wird in der Werkstatt 3 seit inzwischen 20 Jahren an der Veränderung der herrschenden Verhältnisse, mithin einer besseren Welt, gearbeitet.

Gegründet wurde das „Kommunikations- und Informationszentrum für Entwicklung, Frieden und Menschenrechte, Werkstatt 3 e.V.“ 1979 von entwicklungspolitischen Gruppen aus der ganzen Stadt, die unter ein gemeinsames Dach ziehen wollten. Darunter waren die Entwicklungspolitische Korrespondenz, die Gesellschaft für bedrohte Völker und das Aktionszentrum solidarische Welt, aber auch die Friedenspolitische Studiengesellschaft.

An den Gruppen, die im Rahmen der Werkstatt 3 (W3) dreieinhalb Etagen der ehemaligen Dralle-Fab-rik nutzten, lässt sich die Konjunktur der politischen Themen der vergangenen zwanzig Jahre ablesen: Die Stromzählungsboykotteure (Strobos) hatten mal ein Büro in der W3, später die Volkszählungsboykotteure (Vobos), auch Friedensinitiativen wie die Friko, die Ostermärsche organisierte.

Was die Jahre durchzogen hat, ist die entwicklungspolitische Arbeit. Das Aktionszentrum Drit-te Welt (AZ3W) und Terre des Hommes waren als einzige von Anfang an dabei. Gleichzeitig gehörten für die Leute von der W3 die Themen „Dritte Welt“, Ökologie und Menschenrechte immer schon zusammen. Die Globalisierung, die heute beim Publikum auf großes Interesse stößt, beweist das deutlicher denn je.

Wenn Robin Wood eine naturverträgliche Nutzung des Regenwaldes verlangt, dann nützt das den Menschen in der Ersten wie der Dritten Welt. Und das Pestizid Ak-tions-Netzwerk, das die Vergiftung von Menschen in der Dritten Welt durch Pflanzenschutzmittel aufzuhalten versucht, geht in Deutschland gegen die Produzenten vor.

Das breite inhaltliche und thematische Spektrum der Gruppen in der W3 sorgte intern immer wieder für Diskussionen, wie Bernhard Riggers erzählt, der seit 1981 dabei ist. „Für die einen sind wir nicht positionsbezogen genug gewesen“, sagt er, „für die anderen zu links.“ Nur bei wenigen Themen versuchte die W3 deshalb, ihre Mitglieder zu einer gemeinsamen Stellungnahme zu bewegen. „Zum Kosovo-Krieg konnten wir schnell eine gemeinsame Position finden“, sagt Riggers.

Das Angebot für die 10.000 BesucherInnen, die im Jahresdurchschnitt in den Nernstweg kommen, ist vielfältiger geworden, meint Adelheid Schulze vom Büro. Die W3 habe erkannt, dass man Leute nicht nur über Infoveranstaltungen an politische Themen heranführen kann, sondern auch über Kunst und Literatur.

Im Festprogramm heute (ab 15 Uhr Straßenfest, ab 22 Uhr Kino im Hof und African Night) und morgen (ab 11 Uhr Brunch) wird es daher viel Musik geben. Dumisani Mabaso, der mit seiner Gruppe „Dube“ spielen wird, ist ein alter Bekannter: Vor 20 Jahren gab er mit „Sounds of Soweto“ das erste Konzert in der W3.

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