■ Das Diepgen des Tages: Marius Müller-W.
„Mit 18“, so jodelrockt der faltige Altbarde mit dem anbiedernd kumpeligen Vornamen Marius immer noch gerne, habe er in Düsseldorf rumgehangen, als Sänger „in ner Rock 'n' Roll-Band“. Und deshalb, so krakeelt er gleich noch hinterher, wolle er nun zurück auf die Straße, um dort zu „singen“. „Nicht schön“, wie er in vorgespielter Ehrlichkeit zugibt, „sondern geil und laut“.
Das wäre nicht weiter schlimm, wenn es dem inzwischen locker mal eben fast 50-jährigen Müller-Westernhagen nicht immer wieder gelänge, dieses olle „Ach was war'n wir doch für tolle Typen“-Liedchen in die Realität umzusetzen.
Zum Beispiel vorgestern Abend auf dem Gendarmenmarkt. Zur Feier des Umzugs des glatt gebügelten Mainstream-Senders Sat.1 nach Berlin durfte der passend geschniegelte Als-ob-Rocker bis Mitternacht nicht nur 9.000 „Fans“, die mit verlosten Freikarten auf den Platz gelockt wurden, zum Mitgröhlen zwingen. Unter gemeiner Ausnutzung der Hauptstadtwinde gelang es ihm auch noch, kilometerweit entfernt Ruhe Suchende um den wohl verdienten Schlaf zu bringen. Jedem aufrichtigen Friedrichshainer Punk wäre dafür eine Hundertschaft der Polizei auf die Bude gerückt.
Nicht so dem ausgelutschten Pfefferminz-Prinz. Der durfte ungestört seine zuvor durch persuasiven Dauerradioeinsatz selbst bei ausgewiesenen Marius-Hassern fest eingespeicherten Ohrwürmer in unschuldige Ohren popeln.
„Du bist ne Waffe, für die es keinen Waffenschein gibt“, jaulte verlogen selbstbekennerisch der „MMW“, dessen Rocker-Attitüde sich derzeit in dem öffentlichen Bekenntnis erschöpft, einen gewissen Herrn Schröder gewählt zu haben oder sich mit den nicht weniger vergilbten Herren Thomas Gottschalk und Boris Becker auf Plakaten abbilden zu lassen.
„Jesus, wir sind die Helden, wir werden's der Welt schon zeigen. Yeah!“, maßt sich der Ex-„Stinker“ auf seiner letzten Platte an. „Jesus“, wimmert er weiter, „bitte lass mich rein in dein Himmelreich.“ Geiler wär schon: Friede auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen. Molly Bluhm
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