: Schrill bis melancholisch
Liebe und Gewitter, Klangexperimente und Klassikerentrümpelung in der dritten Woche des Sommertheater-Festivals ■ Von Stefanie Heim
Sommertanztheater, dritter Akt: Mit Ironie und schwarzem Humor ist Großbritannien irgendwo an der Peripherie des Ostens vertreten. „Kate liebt Rob, Rob liebt es, anderen Leuten beim Liebe machen zuzusehen, und Viv liebt Leute, die sie nicht lieben. Und Liam liebt beans and chips“: So sieht das aus, was Kultregisseur Lloyd Newson als The Happiest Day of My Life in deutscher Erstaufführung auf die Kampnagel-Bühne bringt. Das DV8 Physical Theatre nimmt immer wieder neue tänzerische Herausforderungen an, um etwas über das Geschlechterverhalten auszusagen. Annäherungen und Anmachen enden da in Klischees, Katastrophen und Langeweile – Liebe in englischen Provinz-Zimmern eben. Aber weltklasse dabei und mit schriller Komik und nahezu akrobatischem Einsatz in Szene gesetzt.
Ein starkes Stück russischen Theaters präsentiert die Moskauer Regisseurin Henrietta Yanovskaya hoch über dem Publikum zwischen Scheinwerfern und Schnürboden. Nach großen Erfolgen in Avig-non und Stockholm läßt sie Das Gewitter (sehr frei nach Alexander Ostro-woskis fünftaktigem Schauspiel aus dem Jahre 1859) in deutscher Erstaufführung herunterprasseln. Inhaltlich geht es um Träume und Utopien des 19. Jahrhunderts, die mit der Brutalität der Gegenwart kollidieren. Formal nutzt sie mit dem Moscow Theatre of Young Spectators die klassischen Stärken des russischen Theaters, als da sind: großartige Schauspieler, wunderbare Texte, Figuren und Konstellationen voller Emotionalität, und das löst sie in ganz unklassischen Theatersituationen auf. Es wird simultan ins Deutsche übersetzt.
Slowakische Zigeunermusik hat Iva Bittová mit Klangexperimenten des tschechischen experimentellen Theaters kombiniert: Jazz ist dabei, einfache Volksweisen und freie Improvisation. Ihre Stimme setzt sie genauso virtuos ein wie ihre Geige – das wussten bereits David Moss, Pavel Fajt, Chris Cutler und Fred Frith zu schätzen.
Slowenien steuert mit Iztok Kovacs jüngster Produktion Far From Sleeping Dogs eine Kunstperfor-mance bei. Fünf Tänzerinnen liefern Kommentare zu gefilmten musikalischen Interpretationen des Komponisten Vinko Globokar und Filmmaterial aus slowenischen Archiven. Letzteres zeigt kommunistische Massenveranstaltungen und verklärte Porträts von Industriearbeitern. Kovacs Compagnie En-Knap lässt kühle, intellektuelle Nachdenklichkeit an lediglich einem Abend in Hamburg in fast so etwas wie Melancholie abdriften.
Ein ganz anderes Tempo legt die Lilia Abadjieva Company mit ihrer höchst gewagten Hamlet-Interpretation an den Tag: Shakespeare als rasantes Autorentheater. Die Regisseurin liebt es, Klassiker zu entrümpeln, und lässt ihr durchweg männliches Ensemble wild sezieren, persiflieren und ironisieren. Lilia Abadjieva gilt als spannendste Neuentdeckung des bulgarischen Theaters. Untertitel übersetzen das bulgarische Original in der deutschen Erstaufführung.
The Happiest Day of My Life: Do - Sa, 2. - 4. , 20 Uhr, k6 Iva Bittová: Fr + Sa, 3. + 4. , 20.30 Uhr, k2 Das Gewitter: Fr + Sa, 3. + 4. , 19.30 Uhr, Schauspielhaus Far From Sleeping Dogs: Di, 7. , 20.30 Uhr, k1 Hamlet: Mi - Fr, 8 - 10. September, 20.30 Uhr, k2
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