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Brutstätten-Suche

■ Sterile Gärten und glatte Fassaden vertreiben Vögel aus der Innenstadt. Naturschutzverbände haben verschiedene Strategien: Die einen wollen mehr Brutkästen, die anderen fordern eine nachhaltigere Stadtentwicklung

Ob mit mit Elektodraht, Netzen oder Spikes auf Fensterbänken und Mauervorsprüngen, es gibt die unterschiedlichsten Methoden, Tauben aus der Nachbarschaft zu verbannen. Im Gegensatz zu Amsel, Blau- oder Kohlmeise, sind große Taubenpopulationen den Städtern alles andere als willkommen. Fast alle Schädlingsbekämpfer der Stadt bieten auch „Taubenvergrämung“ oder „Taubenabwehr“ an.

„Immer wieder sehe ich zwei nette ältere Damen an der Straßenbahnhaltestelle, Tauben aus einer großen Tüte mit Brotresten füttern“, berichtet Ute Zolondek vom Gesundheitsamt Bremen. Das ist ihrer Meinung nach auch der Hauptgrund für die Taubenplage in den Städten. Auf Artenvielfalt achten, heiße eben nicht, Tauben, Stockenten und Ratten zu füttern.

Weit über 100 Vogelarten wurden schon in manchen Großstädten festgestellt. Tatsächlich fallen im Stadtbild jedoch nur verwilderte Tauben und Spatzen auf. Sie haben ihren natürlichen Lebensraum gegen die Häuserschluchten der Ballungsräume eingetauscht und sich perfekt an das Leben in der Großstadt angepasst. Anderen Vogelarten begegnet man jedoch immer seltener. Grasmücke, Zaunkönig & Co ziehen sich in die Schrebergärten und Parks zurück. An den glatten Fassaden und in den sterilen Gärten der Zentren und Wohngebiete finden sie immer weniger Lebensraum.

So sieht es zumindest der Naturschutzbund Deutschland (NABU) in Bremen und fordert deshalb die Hansestädter dazu auf, mehr Lebensraum für Vögel zu schaffen. Durch begrünte Fassaden, Grasdächer und Schaffen von Nistmöglichkleiten ließen sich Vögel leicht ansiedeln.

„Viele denken grün ist grün – und das ist gut“, sagt Dirk Bolte, Biologe der NABU-Station Bremen. Besonders in Einfamilienhaussiedlungen seien viele Gärten überpflegt, würden Vögel vertrieben, die in den durchgestylten Gärten mit englischem Rasen nicht mehr genügend Nahrung finden. Bei Renovierungs- und Bauarbeiten sollte rechtzeitig an Nistplätze gedacht werden. Auch an modernen Gebäuden können nachträglich Brutkästen und Nistmöglichkeiten geschaffen werden, ohne die Fassade zu verändern.

Der zweite große Bremer Naturschutzverein, der Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND), sieht das Problem an einer ganz anderen Stelle. Bremen biete besonders durch seine Feuchtwiesen am Stadtrand vielen Vogelarten einen Lebensraum. Die Artenvielfalt in der Stadt sei relativ groß. „Das aber kann sich ändern“, sagt Joachim Seitz, Geschäftsführer des Landesverbandes Bremen des BUND. Gemeint sind die Bebauungspläne des Landes Bremen, die unter anderem vorsehen, die Osterholzer Feldmark teilweise zu bebauen. Auch in dem Land-schaftsschutzgebiet Brokhuchting soll ein neues Wohngebiet entstehen.

Gegen die Bebauung in Brokhuchting hat der BUND jetzt auch Einspruch bei der EU-Kommission in Brüssel eingelegt. „Wir rechnen uns ganz gute Chancen für den Einspruch aus, da es keine Begründung gibt, warum gerade dort gebaut werden muss“, sagt Seitz. Bis jetzt hat der BUND aus Brüssel nur bestätigt bekommen, dass sein Schreiben eingegangen sei. Wegen der Ferienzeit werde man sich frühestens im Herbst mit Brokhuchting befassen. Kirstin Karotki

Broschüren über Fassadenbegrünung etc. gibt es beim NABU, Contrescarpe 8, 28203 Bremen, für acht Mark in Briefmarken.

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