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ÖkolumneSynergie-Fantasien

■ Auch in Frankreich sind Shareholder Values en vogue

„Endlich!“, schreiben die üblichen Verdächtigen von New York Times über Neue Züricher Zeitung bis hin zum Handelsblatt und erteilen Frankreich nach langen Jahren hartnäckiger Kritik auch einmal eine gute Benimmnote: „Endlich ist das Land im Zeitalter der Globalisierung angekommen.“

Anlass für ihr überschwengliches Lob sind mehrere milliardenschwere Kapitalbewegungen. Dabei hat sich die französische Regierung, die bislang stets ein wachsames Auge auf derartige Operationen in der ehemals staatlichen Großindustrie und -finanz geworfen hat, ganz erstaunlich zurückgehalten. Sie ließ „den Markt“ gewähren. Die französischen und ausländischen Aktionäre – „schottische Witwen“ und „amerikanische Rentner“ inklusive – konnten so binnen weniger Tage tiefgreifende Veränderungen in der französischen Unternehmenslandschaft verfügen. Ganz nebenbei machten sie eine neue Logik salonfähig: Shareholder Values sind jetzt auch in Frankreich en vogue.

Als erstes stimmten drei französische Bankdirektoren die Analysten euphorisch. Dabei sind alle drei Herren, die die französische Öffentlichkeit sowie die 130.000 Beschäftigten ihrer Institute monatelang mit gigantomanischen Fusionsvorhaben beunruhigten, mit Pauken und Trompeten gescheitert. Statt ihrer ursprünglich geplanten Projekte ergab die Befragung der Aktionäre die Zusammenlegung von zwei Banken ( BNP und Paribas), die in dieser Konstellation von keinem der Bankdirektoren geplant war, und für die es auch kein unternehmerisches Konzept gibt. Sowohl das neu entstandene Fusionsprodukt, als auch die unfreiwillig allein zurückgebliebene Société Générale stehen nach dieser Bankenschlacht verletzlicher da als jemals zuvor. Weitere Übernahmeversuche werden deswegen nicht lange auf sich warten lassen.

Dieses neue Chaos im französischen Bankensektor stört die Analysten nicht. Im Gegenteil: Es lässt sie auf die nächste Konzentrationsrunde hoffen. Mit der Nuance, dass dabei auch die Dresdner Bank sowie spanische und niederländische Interessenten auf aussichtsreichen Plätzen mitspekulieren können.

Nach den Bankdirektoren sorgten zwei Pariser Krämer für frankophile Stimmung bei den internationalen Analysten. Die Chefs der französischen Handelsunternehmen Carrefour und Promodès unterzeichneten am Wochenende den Vertrag für eine Fusion, aus der der größte europäische und weltweit zweitgrößte Handelskonzern hervorgeht. Mit 240.000 Beschäftigten, einem Netz von beinahe 9.000 Läden in 26 Ländern und einem Jahresumsatz von 354 Milliarden Francs (zirka 107 Milliarden Mark) ist das neue Carrefour ein Schwergewicht, das in einigen Ländern – neben Frankreich zählen dazu auch Argentinien und Brasilien – bis zu 40 Prozent des Einzelhandels kontrolliert.

Diese erdrückende marktbeherrschende Stellung stört die Analysten nicht. Sie schwelgen seit der Fusion in „Synergie“-Fantasien. Sie malen sich also die Einsparmöglichkeiten durch Massenentlassungen und durch zusätzlichen Preisdruck auf landwirtschaftliche und industrielle Erzeuger aus, die in diesen Tagen an der Börse dafür sorgen, dass die Kurse nach oben schnellen – nicht nur die des neuen Carrefour, sondern auch jene der deutschen Metro, der niederländischen Ahold und des weltgrößten Handelsunternehmen, dem US-amerikanischen Wal-Mart, die jetzt in den Startlöchern für weitere Übernahmen sitzen.

Neben dem Bankensektor und dem Einzelhandel gilt die Aufforderung „Faites vos jeux“ auch in der französischen Industrie. Nach einer Pharmafusion und einer Aluminiumfusion vor wenigen Tagen bahnt sich dort seit einiger Zeit eine Fusion zwischen den beiden Erdöl- und Chemieriesen Elf und Total-Fina an, die ebenfalls eine Menge Entlassungen und eine hübsche Rendite für die Anteilseigner bringen würde.

Auch die Monopole, die dabei entstehen, stören die Analysten nicht im Geringsten. Dabei sind sie unübersichtlich. Nehmen Sie als Beispiel die Pariser Wohnung der Autorin dieser Zeilen. Die ist von vier Supermärkten umzingelt. Schöne Vielfalt? Alle Supermärkte gehören zu Carrefour. Wie hieß es noch mal bis vor ziemlich genau zehn Jahren bei den üblichen Verdächtigen von New York Times bis hin zu dem Tresen an der Eckkneipe: „Seid froh, dass Ihr nicht ,drüben‘ geboren seid. Im Westen habt Ihr wenigstens die freie Auswahl.“ Dorothea Hahn

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