: Deutschlands langer Arm
Einige deutsche Firmen kennen sich im indischen Narmadatal mittlerweile ganz gut aus. Die Kaskade der Wasserkraftwerke, die dort gebaut werden soll, ist ein lohnendes Feld für Investitionen, seit es in dem innereuropäischen Energiemarkt eng geworden ist und Firmen wie Banken sich der Globalisierung stellen müssen.
Lohnend besonders deshalb, weil jegliche Investition praktisch risikofrei ist: Bei Lieferungen und Krediten an Indien können sich die Unternehmen bei der deutschen Regierung gegen Ausfälle über eine Hermes-Bürgschaft versichern.
Für den Maheshwarstaudamm interessieren sich vier Unternehmen. Siemens möchte Turbinen und Leittechnik im Wert von 250 Millionen Mark liefern. Die Hypo-Vereinsbank wollte sich mit einem 257-Millionen-Dollar-Kredit an dem insgesamt achthundert Millionen Dollar schweren Projekt beteiligen. Die beiden Energiekonzerne VEW und Bayernwerk planten eine Beteiligung von 49 Prozent an der Betreiberfirma.
Den Anträgen zu Hermes-Garantien und Kapitalanlagegarantien stand die deutsche Regierung anfangs positiv gegenüber. Dann allerdings kamen mehr und mehr Warnungen vor Protesten der Bauern und vor unzureichenden Umweltverträglichkeitsprüfungen. Auf eine eilige Anfrage des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ) bei der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), die häufig sowohl mit Staudämmen als auch mit Hermes zu tun hat, was diese von dem Vorhaben halte, antwortete die Bank kritisch.
Die Protestbewegungen im Zusammenhang mit Staudämmen, früher oftmals kalt belächelt und einfach umgesiedelt, werden zunehmend als Risikofaktor anerkannt. Auf die Stellungnahme der KfW hin und wegen anderer Schwierigkeiten im Indiengeschäft lagen die Garantieanträge der Firmen auf Eis. Sowohl Firmen als auch Ministerien begannen eine hektische Reisetätigkeit, um herauszufinden, was wirklich im Staudammtal vor sich ging.
Im April 1999 zogen sich VEW und Bayernwerk angesichts der wachsenden Proteste vorläufig aus dem Projekt zurück. Siemens und die Hypo-Vereinsbank dagegen halten an Maheshwar fest.
Die rot-grüne Regierung muss sich also weiterhin mit den Anträgen beschäftigen. Sie hat dabei seit Amtsinhabe ein zusätzliches Problem: Im Koalitionsvertrag hat das Bündnis sich eine Reform der Bürgschaften mit ökologisch-sozialen Kriterien zum Ziel gesetzt. Zumindest das BMZ, Mitglied des Interministeriellen Ausschusses , der über die Garantien entscheidet, hat sich schon geäußert. Ministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) ist gegen eine Bewilligung der Garantien. Andere Ministerien haben sich noch nicht entschieden.
Werden die Bürgschaften nicht bewilligt, dürfte das deutsche Engagement buchstäblich ins Wasser fallen. Dass Indien dann noch private Investoren außerhalb des eigenen Landes für den Damm findet, ist nicht anzunehmen.
Maike Rademaker
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