Ökolumne: Billig ist schlecht
■ Bei fallenden Strompreisen ist eine höhere Ökosteuer angezeigt
Große Freude! Die Preise sinken. Wer wollte etwas dagegen einwenden, dass das Leben billiger wird statt immer nur teurer, wie uns unsere Alltagserfahrung zu bestätigen scheint. So erfreuen sich auch die niedrigen Strompreise großer Beliebtheit. Wieder startet das muntere Spiel, das wir schon vom Telefonieren kennen: Wer kennt den billigsten Anbieter, wo bekomme ich einen noch günstigeren Tarif? Was bei der Telekommunikation gut ist, muss beim Strom jedoch nicht richtig sein.
Die Energiekonzerne haben ihre Preise für Privatverbraucher im vergangenen Monat um bis zu einem Drittel reduziert, weil sich die KonsumentInnen nun einen beliebigen Versorger aussuchen können. Eigentlich dürfen sie das bereits seit April 1998, aber erst jetzt sind neue Kleinunternehmen auf den Markt gekommen, die die Großunternehmen wie RWE und PreussenElektra zwangen zu reagieren. Nun unterbieten sich alle gegenseitig, und die VerbraucherInnen reiben sich die Hände. Eine gute Sache – warum soll man auch Konzernen, die über 100 Milliarden Mark Guthaben besitzen, Geld hinterherwerfen?
Niedrigere Preise allerdings haben einen Nachteil: Sie animieren zu erhöhtem Verbrauch. Vor kurzem erst begründete die Bundesregierung den geringeren Wasserverbrauch der Haushalte mit stark gestiegenen Wasserpreisen. Im Umkehrschluss: Ist das kühle Nass billig, dreht man öfter den Hahn auf. Ähnlich verhält es sich beim Strom. Die Folge: Die Kraftwerke – auch die Dreckschleudern, die Braunkohle verfeuern – müssen länger laufen und schicken mehr Abgase in die Luft. So muss man es machen, wenn man sicher gehen will, dass man die eigenen Ziele zum Schutz des Weltklimas mit Sicherheit verpasst.
Die niedrigeren Energiepreise konterkarieren damit die komplette Umweltpolitik der vergangenen Jahre, deren Verfechter annahmen, mit höheren Preisen für den Verbrauch von Ressourcen ein marktwirtschaftlich verträgliches Instrument zum Schutz der Umwelt entwickelt zu haben. Dieses Instrument kommt in der Ökosteuer gerade zum Einsatz – in einer sehr sanften Variante. Pro Kilowattstunde zahlen die privaten KonsumentInnen zwei Pfennig zusätzlich an die öffentliche Kasse. Dem gegenüber haben einzelne Versorger ihre Tarife schon um zehn Pfennig pro Kilowattstunde gesenkt. Damit neutralisiert die Senkung der Strompreise die steuerliche Wirkung im Hinblick auf den Umweltschutz nicht nur – das Gegenteil tritt ein. Trotz der Steuer muss nicht mehr zahlen, wer mehr verbraucht.
Als möglicher Ausweg bietet sich an, die Liberalisierung und die ökologische Besteuerung miteinander zu verknüpfen. Eine Preisreduzierung um ein paar Pfennig pro Kilowattstunde könnte tatsächlich den KonsumentInnen zu Gute kommen. Zwei Drittel der gegenwärtigen Preisnachlässe jedoch sollte der Staat mit einer stärker steigenden Ökosteuer abschöpfen. Die Einnahmen könnten – wie bei der Absenkung der Rentenversicherungsbeiträge bereits praktiziert – zur weiteren Reduzierung der Lohnnebenkosten oder zur Senkung der Steuerlast verwendet werden – und sich so doch wieder positiv auf den Konten der VerbraucherInnen bemerkbar machen.
Ein nördlicher Nachbar Deutschlands, Dänemark nämlich, hat bereits Erfahrungen mit einer Ökosteuer gesammelt, deren Tarif in Abhängigkeit vom jeweiligen Energiepreis schwankt. Auch das hiesige Umweltbundesamt, das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung und das Finanzwirtschaftliche Forschungsinstitut der Uni Köln plädieren für dieses Prinzip. Dadurch ließen sich mehrere Vorteile miteinander verknüpfen: Die Umwelt würde entlastet, die Ziele zum Schutz des Klimas blieben erreichbar, und die VerbraucherInnen hätten nichtsdestoweniger einen finanziellen Vorteil von der Liberalisierung – alles in allem ein zukunftsweisendes Konzept.
Dass sich die Bundesregierung nicht gerade beliebt macht, wenn sie uns das gebratene Huhn vor der Nase wegschnappt, liegt dabei freilich auf der Hand. Damit ist zur Realisierungschance einer sinnvollen Politik in der gegenwärtigen Situation auch schon fast alles gesagt. Hannes Koch
beim Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung, über die Vorteile der Liberalisierung
Hannes Koch (37) ist Redakteur im taz-Ressort Wirtschaft und Umwelt: „Ein Drittel der Preisnachlässe sollte den KonsumentInnen zu Gute kommen, die restlichen zwei Drittel müsste der Staat mit einer höheren Ökosteuer abschöpfen. Die Einnahmen könnten zur Reduzierung der Lohnnebenkosten oder zur Senkung der Steuerlast verwendet werden – und sich so doch wieder positiv auf den Konten der VerbraucherInnen bemerkbar machen.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen