: „Bei uns in Gelsenkirchen ist es wie früher in der DDR“
■ Die CDU wittert in NRW endlich wieder Morgenluft. Ihr Hauptprogrammpunkt für die Erstürmung der Rathäuser: Die SPD muss weg. Inhaltlich bleibt sie jedoch schwach
Oliver Wittke ist fest entschlossen, am Sonntag das Gelsenkirchener Rathaus zu stürmen. Denn „die Genossen haben abgewirtschaftet“. Denn 53 Jahre sind genug. In Gelsenkirchen sei es „genauso, wie es in der DDR war“, sagt der 32-jährige Christdemokrat. Wird jetzt, zehn Jahre nach der Wende, auch die letzte rote Bastion, das Ruhrgebiet, kippen?
Nicht ganz. An Gelsenkirchen dürften sich die CDU und ihr Oberbürgermeisterkandidat Wittke die Zähne ausbeißen. Trotz aller Affären und Skandale, trotz der schlechten Stimmung wegen der rot-grünen Bundesregierung: Gelsenkirchen wird wohl rot bleiben.
In Dortmund sieht das schon anders aus. Ausgerechnet in der einst von Willy Brandt zur heimlichen Hauptstadt der Sozialdemokratie geadelten Ruhrmetropole hat der CDU-Oberbürgermeisterkandidat Volker Geers beste Chancen, seinen SPD-Konkurrenten zu schlagen. „Die SPD hat in 53 Jahren der Macht jeden Kontakt zu den Bürgern verloren“, sagt Geers. Nicht mal neue Köpfe habe sie hervorgebracht. Und den einen, den sie hatte, der machte auch noch wider Willen Wahlkampf für die Christdemokraten. Eine bessere Werbung, als sie der starke Mann der Dortmunder SPD, Franz-Josef Drabig, für Geers gemacht hat, konnte es kaum geben: Erst ließ er sich mit einer Prostituierten erwischen und tapste dann auch noch in eine Steueraffäre.
Allerdings war auch Geers' eigene Kampagne nicht schlecht. Sich ausgerechnet die Vereinsfarben von Borussia Dortmund zuzulegen, wo das Rot der Sozis doch immer an Bayern München erinnert – das hat was und kommt auch gut an.
Die Christdemokraten an Rhein und Ruhr rechnen sich gute Chancen aus, erstmals seit 1979 wieder bei einer NRW-Kommunalwahl im Landesdurchschnitt vorn zu liegen. Acht Monate vor der Landtagswahl hat CDU-Landeschef Jürgen Rüttgers die Parole ausgegeben: „Erst die Rathäuser, dann die Staatskanzlei.“
Das ist durchaus nicht unrealistisch. Denn auch ohne hausgemachte Skandale und Skandälchen weht den Rhein-und-Ruhr-Sozis ein scharfer Wind ins Gesicht. Die Rentenpläne und das 30-Milliarden-Sparpaket der Bundesregierung kommen nicht gut an. Rüttgers ist siegessicher: „Wir werden die Landtagswahlen im nächsten Frühjahr gewinnen!“ Sein Optimismus kann sich auf Umfragen stützen. Wenn am nächsten Sonntag der Landtag gewählt würde, läge die CDU laut Emnid mit 43 Prozent einen Prozentpunkt vor der SPD.
Die Schwäche der SPD in Bund und Land bedingt die Stärke der NRW-CDU. „Natürlich profitieren wir hier bei der Kommunalwahl von der Zerstrittenheit der Bundes-SPD“, meint der Vorsitzende der CDU-Landtagsfraktion, Laurenz Meyer. Doch müsse die NRW-CDU sich trotzdem umstrukturieren. Denn „wegen der Fixierung auf die Person Helmut Kohls haben wir in den letzten Jahren keine neuen Antworten auf die drängenden Fragen der Gegenwart gefunden“, so Meyer.
Ihre inhaltliche Orientierungslosigkeit können die Konservativen in NRW nur mühsam kaschieren. Und wenn gar nichts mehr geht, geht eines immer: Protest. Zum Beispiel gegen die Rentenpläne. Populist Rüttgers hoffte gar schon auf einen Schulterschluss mit den Gewerkschaften.
Doch die das klassische SPD-Milieu will nicht so ohne weiteres den Gaul wechseln. Die IG Metall höhnte gar: „Wenn man versucht den Teufel mit dem Belzebub auszutreiben, landet man bekanntlich in der Hölle.“ Und die, wissen die Gewerkschafter, wird von der CDU regiert.
Doch Rüttgers ist flexibel und hat noch ein anderes Feld entdeckt, auf dem sich Wahlkampfschlachten führen lassen: Bürgernähe. „Wir müssen ran an die Menschen, ran an die Wirklichkeit“, sagt er. Zum Beispiel bei der Bildungspolitik. Da macht Rüttgers gegen den Sparkurs von Landesbildungsministerin Gabriele Behler mobil. Glaubwürdig? Rüttgers war als Bundesbildungsminister bei den Studenten als „Bildungskiller“ verschrien, weil er stets klaglos jede Kürzung seines Etats hingenommen hatte.
Dass Rüttgers mit derartigen Kampagnen Wähler fischen kann, will Edgar Moron nicht glauben. „Die Leute sind doch nicht blöd!“, meint der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Landtagsfraktion. Entscheidend für die Kommunalwahl sei, hofft sie, wie die Sozis vor Ort agiert haben. Und deshalb werde es teils Gewinne, teils Verluste geben.
Vor allem wohl Verluste. Nach einer Umfrage von Ende August müssen die Genossen bei den Kommunalwahlen mit Verlusten in Höhe von 7,4 Prozent rechnen. Bisher stellt die SPD 20 von 23 kreisfreien Großstädten NRWs den Oberbürgermeister.
Neben Köln und Dortmund wackeln auch Bielefeld, Bonn und Münster. In Aachen wird es wohl eine absolute CDU-Mehrheit im Rat geben, während die SPD den Oberbürgermeister stellt. Wahlentscheidend wird sein, ob es der SPD gelingt, ihre Klientel zur Wahlurne zu bewegen.
Marcus Meier und Andreas Wyputta, Bochum
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