Der Machthaber

■ General Wiranto, der Mann, der auch ohne Putsch Indonesien in der Hand hat

Er war es, der Diktator Suharto im Mai 1998 überredete, zurückzutreten: General Wiranto, oberster Chef der Streitkräfte, heute auch Verteidigungsminister Indonesiens. Der smarte und kühle General galt als das angenehme Gesicht eines Militärs, das Suharto stets loyal diente und dafür mit großer politischer und wirtschaftlicher Macht belohnt wurde.

Mit seiner Unterstützung konnte sich Suhartos Nachfolger, Präsident B. J. Habibie, bisher an der Regierung halten. Doch nun hat der Konflikt um Osttimor die tiefen Spannungen in der Regierung offen gelegt.

Seitdem der General Habibie Anfang der Woche gegen dessen Willen zwang, das Kriegsrecht für Osttimor zu unterschreiben, kursierten in Jakarta sogar Gerüchte, Habibie werde zurücktreten – oder das Militär wolle putschen. Das sei „ohne Grundlage“, sagte Wiranto. Das Dementi beruhigte die Gemüter keineswegs.

Auch ohne Putsch ist Wiranto ein mächtiger Mann. Der 52-Jährige graduierte 1968 als Klassenbester von der Militärakademie in Malarang auf Java. Zweimal war er in Osttimor stationiert: zuerst 1978, in der brutalsten Phase des Kampfes gegen die osttimoresische Unabhängigkeitsbewegung Fretilin. Es war die Zeit der Bombardements, Massenvertreibungen und Hungersnot. Wirantos zweite Tour in Osttimor begann 1982, als die Guerilla fast besiegt war und die Bevölkerung vom Terror der Armee, Hunger und Krankheiten gelähmt.

Wirantos Karriere machte einen großen Sprung, als er 1989 zum persönlichen Adjutanten von Suharto berufen wurde. Er übernahm das Kommando über die wichtige Militärregion Jakarta und wurde später Chef der „Strategischen Reserve“ Kostrad, jener Truppe von 27.000 Soldaten, die als Kern der indonesischen Armee gilt. 1998 ernannte Suharto den General zum obersten Chef der Streitkräfte.

Neben Habibie vermochte Wiranto sich als „moderater Reformer“ zu profilieren. Er versprach eine Professionalisierung der Armee, wehrte zugleich aber alle Forderungen ab, die politisch-militärische „Doppelrolle“ der Armee aufzugeben und in die Kasernen zurückzukehren. Wiranto wird von allen politischen Seiten umworben, auch von der Chefin der Demokratischen Partei Indonesiens Kampf, Megawati Sukarnoputri. Die Armee wird bei der Regierungsbildung im November das Zünglein an der Waage sein.

Wiranto ist als Chef der 300.000 Soldaten und 150.000 Polizisten Indonesiens für die Entwicklung in Osttimor verantwortlich. Es ist nicht mehr daran zu zweifeln, dass zumindest Teile der Armee hinter den mörderischen Aktionen der Milizen stecken. Doch kühl sagte der General noch Anfang der Woche, seine Soldaten „halten sich an die Vorschriften, haben Disziplin und Moral“.

Nach Osttimor wollen die Generäle auch Aceh unter Kriegsrecht stellen und mehr Soldaten nach Irian Jaya und auf die Molukken schicken. Wirantos nächstes Ziel: das umstrittene Gesetz über die Nationale Sicherheit im Parlament durchzubringen, das dem Militär drakonische Machtbefugnisse gibt. Jutta Lietsch