: Sechziger im Schnelldurchlauf
■ Ein schwuler Kaiser, ein kleiner Schritt für Willy und richtig viel Spaß gehabt: Premiere von „Sixty Sixty“ in Schmidts Tivoli
Das Schöne an den Schmidts ist ja, dass die Premieren zu Familientreffen werden, wozu sich die Prominenz gern hinzugesellt. In froher Erwartung, dass auch die Fifty Fifty-Nachfolgerin eine ungeheuer erfolgreiche Hamburger Musiktheaterproduktion wird, waren von Krista Sager über Stadtentwicklungssenator Willfried Maier bis Comedytriefauge Karl Dall alle da. Selbst Kultursenatorin Dr. Christina Weiss ließ sich durch die Schlagerrevue Sixty Sixty an ihre wilden Tage erinnern.
„Souvenirs, Souvenirs“ swingte es da auch gleich zu Beginn des Abends, durch den Marianne führte. Die in die Jahre gekommene Hostess der Tourismus-Zentrale Hamburg erinnert sich bei einer Schmidts-Tivoli-Besichtigung an die Zeit, da sie noch Assistentin von Willy Fröhlich war. „,Hallo Freunde' – ,Hallo Willy'“ – solche Dialoge mit dem Publikum liebte jener bei seiner Fernsehshow Der Goldene Schuß. Aber Willy Fröhlich war auch Schlagzeuger in einer Band, die in der Großen Freiheit auftrat – bis die einen anderen drittklassigen Trommler engagierten, der Ringo oder so hieß. Dafür war Willy mit Was bin ich?, dem heiteren Beruferaten, äußerst erfolgreich. Fünfmarkstücke wanderten in die Schweinderl – für die paar Kröten würde sich heute wirklich niemand mehr in ein Fernsehstudio bewegen.
Einen großen Schritt für die Menschheit wagte Willy, indem er als erster Mensch den Erdtrabanten betrat. Angeblich hat dieses Allround-Talent der Sechziger sogar für die Mainzelmännchen Modell gestanden, und in seinem Aktuellen Sportstudio outete sich Franz Beckenbauer als Homo. Aber die Krönung von alledem war doch die ZDF-Hitparade, die er seit Januar 1969 in einem Affentempo moderierte. Besonders beliebt war dabei der finale Schnelldurchlauf, und in Schmidts Tivoli kochte der Saal, als es hieß: „Klaus Dieter, fahr ab“, und all die Laufnummern von den „Roten Lippen“ bis zum „Knallroten Gummiboot“ präsentiert wurden.
Richtig viel Spaß hatte das Publikum an den rund 50 Songs, die der musikalische Leiter Martin Lingnau ausgegraben hatte, und den Gags des Szenarios von Corny Littmann. Die Schmidt-bekannten DarstellerInnen brachten neben gekonntem Gesang wieder ihre heißgeliebte Flapsigkeit auf die Bühne, wobei Kerstin Marie Mäkelburg als Marianne mit unschlagbarer Mimik brillierte und Bernhard Hofmann einen kauzig-schrulligen Willy Fröhlich abgab. Und dass die Sechziger in Wirklichkeit nicht nur witzig waren, versteht sich ja wohl von selbst. Stefanie Heim
immer Di - Sa 20 Uhr, So 19 Uhr, Karten unter Tel.: 31 77 88 99
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen