■ Standbild: Halbstarke Wochenschau
„Pop 2000“, Dienstag, 23.25 Uhr, WDR
Die 50er-Jahre waren mehr als eine Spießerhölle, in der nur langweilige Wunder geschahen (Wunder von Bern, Wirtschaftswunder). Es war reizvoll, damals 18 zu sein, denn es gab die Halbstarken. Die legten den Verkehr lahm, stürmten Polizeiwachen und „schossen“ auf Passanten mit wassergefüllten Luftpumpen. Das geschah meistens im Zusammenhang mit Rock-'n'-Roll-Konzerten – und stellt alles in den Schatten, was sich danach bei Auftritten von Popmusikern in Deutschland abspielte.
Was wollten diese jungen Wilden: nur Spaß haben? Oder auch protestieren? Sind sie heute ganz normale Omas und Opas? In „Halbstark“, der ersten Folge der zwölfteiligen Reihe „Pop 2000 – 50 Jahre Popmusik und Jugendkultur in Deutschland“, erfuhr man es nicht. Denn viele der Zeitzeugen wurden ausgewählt, weil sie prominent waren oder sind – nicht weil sie nennenswert in die Geschehnisse involviert waren. Udo Lindenberg z. B. durfte etwas zu den Krawallen bei Bill-Haley-Konzerten 1958 sagen: „Gewalt gegen Sachen und so. Fanden wir wichtig.“ Lindenberg war damals zwölf.
Zum Auftakt dieser monumentalen Geschichtsreihe, einer Koproduktion der Dritten Programme, wollte Regisseur Christian Bettges nicht nur die Halbstarken abhandeln, sondern u. a. auch die Rezeption von Rock 'n' Roll in der DDR, die ersten Bravo-Jahre, den Kult um Conny und Peter (Froboess und Kraus) und die Entstehung der Zielgruppe Teenager. Ein bisschen zu viel Stoff für 45 Minuten.
Fragwürdig ist Bettges' Versuch, Bezüge zwischen politischer Zeitgeschichte und jugendkultureller Entwicklung herzustellen. So streute er in das überwiegend musikbezogene Archivmaterial Bilder zur Wiedereinführung der Wehrpflicht ein – oder welche aus DEFA-Filmen und Wochenschauen. Dass er dafür einen guten Grund hatte, vermochte der Regisseur aber nicht zu zeigen. René Martens
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