piwik no script img

Am Pult des Beamtendaseins

Hamburg will Abwanderung junger LehrerInnen stoppen. Änderung des Koalitionsvertrages ist wahrscheinlich  ■ Von Sven-Michael Veit

Die Verbeamtung junger LehrerInnen steht in Hamburg wieder auf der Tagesordnung. Nach Informationen der taz hamburg wird die rot-grüne Rathaus-Koalition bereits am nächsten Dienstag einen entsprechenden Grundsatzbeschluss fassen. In einem Bürgermeistergespräch wollen Regierungschef Ortwin Runde und Schulsenatorin Rosi Raab (beide SPD) zusammen mit den Partei- und Fraktionsspitzen von SPD und GAL eine prinzipielle Linie finden. Dabei hat die Koalition eigentlich nur die Wahl zwischen Grippe und Cholera: die Änderung des Koalitionsvertrages oder die Inkaufnahme weiterer Vergreisung des Lehrkörpers.

Bei der Regierungsbildung vor zwei Jahren war Übereinkunft darüber erzielt worden, das Beamtenheer in Hamburg zu verkleinern. Speziell im Schulbereich sollten „Lehrer und Lehrerinnen künftig im Angestelltenstatus auf der Basis von 3/4-Stellen eingestellt werden“, heißt es unter Ziffer 7.1.4. des rot-grünen Koalitionsvertrages. Nach Angaben der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) sind von dieser Regelung bislang „1085 JunglehrerInnen betroffen.“ Begründet wurde diese Passage der Koalitionsvereinbarung mit dem Willen zum Sparen: Das führe zu einer „Verbesserung des personalwirtschaftlichen Handlungsspielraums“.

Die GEW läuft seitdem Sturm gegen „diese Benachteiligung junger Lehrerinnen und Lehrer“, wie ihre Vorsitzende Anna Ammonn diese Vereinbarung einschätzt. Wie es scheint, mit Erfolg. „Der Druck, den die GEW auf uns ausübt, ist ungeheuer“, seufzen hinter vorgehaltener Hand rote wie grüne SchulpolitikerInnen. Vor allem unter Sozialdemokraten in Parlament und Schulbehörde hat die Lehrergewerkschaft mächtig Lobbyarbeit betrieben.

Zupass kommt der GEW dabei das Insel-Dilemma der Hansestadt. Die Nachbarländer Niedersachsen und seit neuestem auch wieder Schleswig-Holstein locken Hamburger JunglehrerInnen mit Beamtenverträgen aus der Metropole weg. „Diesen Aderlass verkraften wir nicht“, schwant einem Abgeordneten Böses: „Wir werden reagieren müssen, um diese Abwerbungen zu verhindern.“

Vom Koalitionsgespräch in der nächsten Woche sei allerdings, so wird gemunkelt, „kein ausgefeiltes Ergebnis“ zu erwarten, aber „die Eckpunkte werden wohl festgezurrt werden“. Vielen GesprächsteilnehmerInnen mangele es an der „echten Überzeugung, mit der Wiederverbeamtung strukturelle Probleme zu lösen“. Eine kurzfristig wirksame Alternative allerdings scheint nicht in Sicht.

Der GEW ist das nur recht. Eine Verbeamtung sei „eine gute Voraussetzung“, glaubt Anna Ammonn, „um qualifizierten Nachwuchs wieder verstärkt für den Hamburger Schuldienst zu gewinnen“.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen