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Schwarz und Jazz, das passt doch gut

■ Gott war auch an diesem Ort: Der amerikanische Komponist, Musiker und Journalist James McBride las im A-Trane aus seinem Erinnerungsroman „Die Farbe von Wasser“

„Gott ist spirituell, körperlos, hautlos. Er hat die Farbe von Wasser, keine Farbe“, schreibt James McBride. James McBride – Journalist, Komponist, Jazzmusiker – hat eine Farbe. Er ist schwarz und zusammen mit elf schwarzen Geschwistern als Kind einer weißen, jüdischen und alleinerziehenden Mutter aufgewachsen.

McBride hat sich auf die Suche gemacht nach der eigenen Identität und der Geschichte seiner Familie. Vierzehn Jahre hat er recherchiert, lange Tonbandinterviews mit seiner Mutter geführt, zwei Jahre geschrieben, während er mit dem Sänger Jimmy Scott auf Tour war. Als er fertig war, ging er nach Hause und gab das Buch seiner Mutter: Zwei Tage hat sie sich damit in ihrem Zimmer eingeschlossen und geweint. Dann kam sie heraus und sagte: „It's okay.“

„Die Farbe von Wasser“ (Berlin Verlag 1999, 318 Seiten, 39,80 DM) hatte in den USA einen mühsamen Start. Zur gleichen Zeit war „Die Asche meiner Mutter“ von Frank McCourt erschienen: eine ähnliche Geschichte, die jedoch in Irland angesiedelt ist. Während McCourts Buch auf den Bestsellerlisten nach oben schnellte, tingelte James McBride durch schwarze Schulen und Gemeindesäle und las zum Teil vor nur fünf Leuten. Erst als das Paperback erschien, wurde sein Buch plötzlich hoch gelobt und landete auf Platz eins der Bestsellerliste des Time Magazin.

Ein neues Buch ist schon fertig: die Biographie von Quincy Jones, die im April 2000 erscheinen wird. McBride hatte sich mit einer Musicalkomposition bei Disney Productions beworben, die Quincy Jones als musikalischen Berater hinzuzogen. Der hatte gerade „Die Farbe des Wassers“ zu Ende gelesen. Ein Zufall also oder, wie James McBride sagen würde: „God was in this place.“

Donnerstagabend um sieben in Berlin. Vor dem A-Trane hat sich eine lange Schlange gebildet: James McBride liest. Viele Literaturmenschen sind da, irgendwie sieht man es ihnen an. Die Lesung wird von McBrides deutschem Verlag zusammen mit dem jüdischen Literaturhaus veranstaltet, das A-Trane für diesen Zweck angemietet: Schwarz und Jazz, das passt doch gut. Das finden hier alle und stopfen sich in den Club. Es ist brechend voll, Atemluft wird zum kostbaren Gut, und die Zigarettenschachteln bleiben unberührt liegen. Zwei Stühle auf der Bühne. Auf dem einen sitzt der Volksbühnenschauspieler Herbert Fritsch, der den deutschen Text lesen wird, auf dem anderen der Autor. James McBride hält seine Taschenbuchausgabe fest. Sie ist zerlesen, fast schon zerfleddert. Büroklammern an den wichtigen Stellen, Notizen, viele Telefonnummern, gesammelt auf der ganzen Welt. Herbert Fritsch dagegen hat den Text anscheinend zum ersten Mal in der Hand. Er liest trotzdem gut, ein Profi.

Das amerikanische Original ist mitreißender als die deutsche Fassung. Aber auch in der Übersetzung wurde versucht, die Erinnerungsbilder so gut wie möglich wiederzugeben. Man bekommt einen Einblick in die schwarzen Neighbourhoods von Brooklyn in den 60er- und 70er-Jahren – und in das Herantasten des Autors an die jüdische Glaubenswelt: Trotz allem sieht sich James McBride allerdings nach wie vor als Teil der afroamerikanischen Community.

Nach eineinhalb Stunden dürfen noch Fragen gestellt werden. Dann setzt sich James McBride ans Klavier, Kai Brückner greift zur Gitarre, doch das hätten sie besser nicht tun sollen: ein billiges Barpiano trifft sehr unglücklich auf eine Gitarre. Schade. Das ist ein enttäuschender Abschluss für diesen Abend, und bedrückt steht James McBride später am Ausgang und hat keine Kraft mehr, Widmungen in seine Bücher zu schreiben. Eine kleine, enge Unterschrift, das war's. James McBrides Kirche ist übrigens die Red Hook Gospel Assembly von Brooklyn. Gottesdienst ist jeden Sonntag um elf.

Maxi Sickert

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