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Der Apparat, der Apparat!

■  Wenn der Deutsche Fernsehpreis nun seinen neuen Deutschen Fernsehpreis vergibt, ist das ein symbolischer Akt – nur für was?

Der Apparat. Wir kennen ihn gut. Beileibe nicht in- und auswendig zwar mit seinen Kabeln, Platinen und Anschlussbuchsen, die uns nicht kümmern müssen; doch werden wir nicht müde, ihn anzustarren – stundenlang und täglich, bisweilen, bis wir müde werden. Und wenn die Unterhaltungselektronikindustrie lange genug auf uns eingeredet hat, kaufen wir einen neuen und richten millionenfach die Wohnzimmergarnituren neu aus. Irgendwer starrt immer hin, egal, was kommt. Und was?

Die Verleihung des nigelnagelneuen Deutschen Fernsehpreises etwa, der uns bestätigen soll, das sich das Apparatanstarren in den letzten 365 Tagen zumindest ab und zu und in 27 Kategorien auch richtig gelohnt haben könnte. Ein symbolischer Akt also, mit dem sich das Medium selbst feiert und den Preisträgern einen Dank in die Fernsehkameras, eine Zeile in der Vita und eine Trophäe in der Wohnzimmervitrine beschert – wenn dort noch Platz ist. Denn in Deutschland gibt es schließlich ca. 100 Fernsehpreise.

Und das große Vorbild in Amerika ist schon 50 Jahre alt. Dort drückt man dem Winner alljährlich ein fünf Pfund schweres Stück US-Nachkriegsklassizismuskitsch in die Hand: eine schlanke junge Frau mit filigranen Flügeln, die anmutig, aufrecht und ganz in Gold ein überdimensioniertes Atom gen Himmel reckt wie eine Kühlerfigur und Emmy heißt.

Der deutsche Fernseh-Oscar hingegen ist nicht einmal eine „Dame mit Löwenmähne und einem bunten Bällchen unterm Arm“ geworden, wie sich Kollege Lüke vor gut einem Jahr die Trophäe als Hybridwesen ausmalte, sondern bloß ein kühl berechenbarer Obelisk. 30 cm hoch, 1,9 kg schwer, aus optischem Glas der Qualität BK7 und (z.B. im Vergleich zur 40.000 Notgroschen schweren Hörzu-Kamera) ohne nennenswerten Materialwert. Und anders als der Emmy hat dieser deutsche Ecki nicht mal einen Namen, heißt weder Gerti, Didi, Fritzi oder Fredi noch Kreti oder Pleti, Qualli oder Quoti, sondern „Deutscher Fernsehpreis“.

Und so sieht er auch aus: Mittels modernster Lasertechnik ist ein transparentes Rund ins Glas hineingeprägt. Und in das Rund: der Apparat! „Zur Würdigung hervorragender Leistungen für das Fernsehen“ allerdings, wie das Statut des Deutschen Fernsehpreises den Deutschen Fernsehpreis erklärt, befremdet das Geräteabbild der Trophäe, die zunächst nichts weiter als ein sprödes „Hier. Ein Preis. Für Fernsehen“ suggeriert und im Licht funkelt, ansonsten aber stumm und unverfroren weitere Auskünfte verweigert.

Was also ist rund wie das Rund? Der Ball? (Das kann's nicht sein; Champions-League-Berichterstattung ist nicht mal nominiert.) Oder eine Seifenblase? (So selbstkritisch wird auch dieser sich selbst stiftende Preis kaum sein.)

Letztlich steht das Rund in Glas dann doch bloß für die internationale große Welt – und der Fernseher für das, was sie im Innersten zusammenhält. „Der Obelisk galt ja in Ägypten als Verbindung von Himmel und Erde – das ist eine sehr schöne Geschichte“, schwärmt der Designer Peter Schmidt (57), „und unser Obelisk trägt in sich noch einmal die Weltkugel, allerdings sehr reduziert und symbolhaft, was sehr viel mit dem Fernsehen zu tun hat, das sehr viel dazu beigetragen hat, dass die Welt übersichtlicher und, ja, auch kleiner geworden ist.“

Nur ist vielleicht auch alles noch profaner: ausgedacht vom Designer, der auch Parfümfläschchenentwürfe (Joop, Hugo, Cool Water Women ...) bastelt und das Bundeswehrlogo neugestaltete; hergestellt von der Firma Rastal, die wiederum Maggi-Suppendrink-Tassen und Radeberger Biertulpen fertigt; und vergeben in einer Gala, die sich ihrerseits selbst mit Werbung unterbricht.

Red Bull verleiht Flügel, heißt es. Und das deutsche Fernsehen Fernsehapparate: den kleinsten gemeinsamen Nenner von Birte Karalus, Ulrich Wickert, den schönsten S-Bahn-Strecken und Dominik Graf. Mehr (man sieht's, wenn man den Preis durchschaut) ist nicht drin.

Christoph Schultheis

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