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BuchTipp

Literarische Spuren Lästermaul Heinrich Heine lässt sich auf der Reise von München nach Genua despektierlich über die Einheimischen aus: „Die Tyroler sind schön, heiter, ehrlich, brav und von unergründlicher Geistesbeschränktheit.“ Klassiker der deutschen Literatur, die über Tirol geschrieben haben, sind im Büchlein „Wegen der Gegend“ mit Textproben vertreten. So schaukelt der alte Goethe noch einmal auf seiner Italienischen Reise in der Postkutsche von Scharnitz zum Brenner und schwärmt: „Von Innsbruck herauf wird es immer schöner, da hilft kein Beschreiben.“ Und Erich Kästner berichtet bereits im Jahr 1945 von Erfahrungen im Zillertal, die wohl noch heute gelten: „Wer vom Fremdenverkehr lebt, kann die Fremden nicht leiden ...Wenn sie, statt selber zu erscheinen, die Gelder per Post überweisen, wäre Eintracht möglich.“

Es spricht für die beiden HerausgeberInnen des Bandes, Barbara Higgs und Wolfgang Straub, dass sie die kritischen Anmerkungen über Tirol nicht ausklammern. Denn das Buch soll natürlich auch eine Werbeschrift für Tirol sein. Immerhin war Barbara Higgs dreizehn Jahre lang für die Österreich-Werbung tätig.

Der Band ist streng geographisch aufgebaut. Nach dem Eingangskapitel „Transit“ – neben Goethe und Heine auch Textproben von Hans Christian Andersen und August von Kotzebue – führt die literarische Reise durch das Ober- und Unterland Tirols nach Innsbruck und weiter nach Osttirol.

Neben international renommierten Schriftstellern sind hauptsächlich österreichische Autoren vertreten, die in Deutschland kaum bekannt sind, zum Beispiel der Lienzer Christoph Zanon und derTiroler Klaus Händl.

Politisch korrekt beschränken sich die Herausgeber auf das Bundesland Tirol in Österreich und widerstehen der Versuchung, auch Südtirol mit einzubeziehen. Zu lange gehört die Provinz südlich des Brenners bereits zu Italien. So ist nur ein einziger Südtiroler Autor vertreten. Der Bozener Kurt Lanthaler, der allerdings seit vielen Jahren in Berlin lebt und ab und an in einer Prenzelberger Kneipe kellnert, lässt seinen Protagonisten Tschonnie Tschenett im Krimi „Der Tote im Fels am Brenner“ über die – inzwischen abgeschafften – Grenzkontrollen räsonnieren.

Wer mehr von der zeitgenössischen Literatur aus Südtirol kennenlernen will, muss zur Anthologie „Leteratura – Literatur – Letteratura“ greifen. Der Sammelband enthält bislang unveröffentlichte Texte von über fünfzig Autoren in allen drei Sprachen – Ladinisch, Deutsch und Italienisch –, die in der Provinz südlich des Brenners gesprochen werden. Reinhard Kuntzke ‚/B‘Barbara Higgs und Wolfgang Straub (Hrsg.): „Wegen der Gegend. Tirol“. Eichborn Verlag, Frankfurt/Main 1998, 27 DM. Südtiroler Autorenvereinigung (Hrsg.): „Leteratura – Literatur – Letteratura“. Edition Sturzflüge, Bozen 1999, ca. 42 DM

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