: Außenpunkt der Härte
„Digitale Trümmer“: Mit einer Werkschau erinnert das Westwerk an den ■ Hamburger Allround-Künstler Andreas Hoffmann n Von Carsten Klook
Andreas Hoffmann, der am 6. September 1998 41-jährig verstarb, verschaffte sich zumeist unter dem Pseudonym CV Liquidsky den Status einer Instanz, die einen Außenpunkt der Härte markierte, mit der in den 80er Jahren unerbittlich gegen Gemütlichkeiten und Verlogenheiten des herrschenden Generationsstils gekämpft wurde. Und gleichzeitig arbeitete er an der Legendenbildung der In-Crowd-Prominenz, die auch Familie war. Der erklärte Test Department-, Einstürzende Neubauten- und 39 Clocks-Fan äußerte sich auf allen ihm erreichbaren kreativen Ebenen: Er schrieb Kolumnen, Rezensionen und Kommentare, arbeitete an Illustrationen und Grafiken. Außerdem war er als erklärter Nicht-Musiker in diversen Musikprojekten involviert: Cinema Verite, 8 TNT, Tietchens/Liquidsky, Rossburger Report sowie Jetztmann/Liquidsky.
Die Ausstellung Digitale Trümmer, die von ihm noch selbst geplant wurde, konnte erst jetzt, ein Jahr nach seinem Tod, realisiert werden.
Die 20 großformatigen Computer-Grafiken sind auf eine Auflage von jeweils 39 Digitalprofs limitiert – danach werden die Daten vernichtet. Die visuellen Strukturen werden im Westwerk vom 7. bis zum 16. Oktober mit tonal/atonalen Klangtexturen, Dias, Videos und Filmsplittern zu sehen sein. Zur Ausstellung gibt es ein täglich wechselndes Programm mit Bands, Künstlern und Performern, die engen Kontakt mit Andreas hatten.
Parallel dazu erscheint eine 200-seitige Werk-Dokumentation seiner künstlerischen Hinterlassenschaften. Der Band, der 60 Mark kostet, enthält neben den Grafiken und Kolumnen unter anderem Plattencover, Musik- und Filmplakate, die er entwarf, sowie eine Audio-CD mit Stücken, an denen Hoffmann beteiligt war.
Anlässlich einer Ausstellung seiner Arbeiten auf der MS Stubnitz in Stockholm 1998 beschrieb er den Charakter seiner bildnerischen Werke: „die arbeit gleicht der vorgehensweise des fotografen im film 'blow up'. ein bild als ganzes mag idylle sein. doch im ausschnitt, in der vergrößerung eines details liegt die magie, digitale trümmer, übriggebliebene texturen, strukturen – found objects von der festplatte durch den kopf auf den printer. dazu ein feiner pinsel und ein feiner zeichenstift. die ja/nein-technologie wird ornament.“
Doch gleichzeitig war es gerade die Unerbittlichkeit dieser ja/nein-Ausschließlichkeit, der er in psycho-programmatischer Weise entrinnen wollte. Hoffmann scheute die eindeutige Positionierung, wie Christian Henjes und Alfred Hilsberg im Vorwort der Werk-Dokumentation schreiben: „Er übte den Spagat zwischen charmanter Offensive und stacheliger Defensive.“ Er hasste das Festgelegtwerden und die Erwartungshaltungen anderer.
Dabei war er nicht ohne Selbstironie. Die Szene-Kolumne „Die Schwere des Seins“ aus dem November 1990 begann er mit dem charmanten wie grandiosen Satz: „Hauptberuflich bin ich Handelsvertreter in Sachen heiße Luft.“
Beim Durchblättern der Dokumentation entsteht das Erstaunen, dass jedes JETZT Geschichte ist. Und dass sich in diesem Band abbildet, wie sich jemand sein Leben zu Eigen machte, ohne in einer Utopie von etwas zu verschwinden. Hoffmann hat begriffen, dass sich das Zersprengtsein nicht auflösen lässt im Glauben an ein in der Ferne der Zukunft erscheinendes Zeichen. Im Band stellt sich jüngste Vergangenheit als Geschichte vor.
Hoffmann verkörperte den Typ des „Medienkünstlers“, der nicht im Festhalten an den ausgeschilderten Formen handelsüblicher Kunst damit beschäftigt war, sich einen anerkannten Status zu zimmern. Und im Losen und Punktuellen seines Tuns bilden sich die Zerrissenheiten seiner Existenz mehr ab, als ein Bild, ein Text, ein Song dies könnten.
heute, Eröffnung (+ Relais); Fr, 8.10., Travelling Dylans/Groenland Orchester; Sa, 9.10., Helgoland/Jetztmann; So, 10.10., Punk & Glory (Film von Peter Sempel); Mo, 11.10., Tulip; Di, 12.10., Kurzfilme von Henna Peschel; Mi, 13.10., Asmus Tietchens; Do, 14.10., Jetztmann II; Fr, 15.10., Ditterich von Euler-Donnersperg (Vortrag)/Hellkamp/Xyramat; Sa, 16.10., Relais/Duralux, Westwerk, jeweils 20 Uhr
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