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Bücher sind Mangelware

■  Ein Drittel der Insassen Berliner Haftanstalten sind Ausländer. Die Gefängnisbüchereien sind mit Literatur und Zeitungen nicht auf das Vielvölkergemisch in den Knästen eingestellt

Zehn Jahre nach dem Fall der Mauer hat die sich die Zahl der ausländischen Gefangenen in den Berliner Knästen verdreifacht. Das Vielvölkergemisch von über 60 Nationen in den Haftanstalten stellt die Justizverwaltung in Zeiten leerer Haushaltskassen vor immense Kommunikationsprobleme, weil viele Gefangene kein Deutsch können. Aber nicht alles ist eine Frage des Geldes.

In den neun Berliner Justizvollzugsanstalten sitzen zur Zeit 5.173 Insassen ein, ein Drittel (34,51 Prozent) sind Nichtdeutsche. Die mit Abstand größte Ausländergruppe in den Knästen sind Türken, gefolgt von den Staatsangehörigen aus dem ehemaligen Jugoslawien, aus Polen, Vietnam und dem Libanon. Die großen Ausländergruppen haben einen Vorteil: Sie finden immer jemanden, der ihre Muttersprache spricht.

Anders ergeht es den einzelnen Gefangenen aus Usbekistan, der Mongolei oder Tschetschenien: Diese Häftlinge, die oftmals kein Wort Deutsch können, sind im Knast doppelt bestraft: Von der Außenwelt werden sie durch Gitter getrennt, von den Mitgefangenen durch die Sprachbarriere.

Im Untersuchungsgefängnis Moabit hat man sich auf die 69 Nationen immerhin so weit eingestellt, dass die anstaltsinternen Durchsagen in 13 Sprachen erfolgen. Falls ein Häftling überhaupt nicht klarkomme, könne „in Notfällen“ ein Dolmetscher hinzugezogen werden, sagt die pädagogische Leiterin des Moabiter Knastes, Gudrun Petersen-Buck. Bei einigen Sprachen sei dies aber gar nicht so leicht. Für Mongolisch gebe es zum Bespiel nur einen einzigen Dolmetscher in Berlin.

Die Ausländerbeauftrage Barbara John hat wiederholt angeregt, in der Stadt ein informelles Dolmetschernetz aufzubauen. Bei den 200 Vereinen der verschiedensten Ethnien sei über Handy immer ein Ansprechpartner zu finden, der übersetzen könne, glaubt John.

Einem, der sich im Knast nicht verständigen kann, bleibt immer noch die Lektüre. Doch da beginnt ein weiteres Problem: Die Gefängnisbücherei von Berlins größtem Männerknast Tegel verfügt über 13.000 Bücher. Nur 1.000 Bücher sind fremdsprachig, wobei es sich im Wesentlichen um Literatur in Türkisch und Arabisch handelt.

In Tegel sitzen 1.700 Gefangene ein, ein Drittel sind Ausländer. Viele gehen leer aus, wenn sie ein Buch ausleihen möchten. „Für Rumänen, Libanesen und Vietnamesen ist kaum etwas vorhanden“, bestätigte der Tegler Vollzugsleiter, Gero Meinen, unlängst bei einer Podiumsdiskussion über die Situation von Ausländern im Knast. Die Diskussion war von dem Verein „Freiabonnements für Gefangene“ organisiert worden, der rund 3.000 Gefangene in Berlin und im Bundesgebiet mit Zeitungsabos aus Spenden versorgt. Nach Angaben von Gudrun Petersen-Buck können sich nur die allerwenigsten ausländischen Insassen ein eigenes Abonnement leisten: Von den 486 Ausländern, die in der U-Haft Moabit einsitzen, beziehen nur 27 Insassen eine Zeitung.

Als Grund für die geringe Zahl fremdsprachiger Bücher verwies Meinen auf die leere Haushaltskasse. Die Tegeler Bücherei verfüge über einen Jahresetat von ganzen 17.000 Mark. „Das macht pro Gefangenen und Jahr einen Krimi im Wert von 10 Mark“. Ausländische Bücher seien ungleich viel teurer, für einen Band müsse das Dreifache des Ladenpreises gerechnet werden.

Günther Liebchen, Bibliothekar in der Tegeler Gefängnisbücherei, bestätigte auf Nachfrage: Die Anschaffung ist ein großes Problem. In Berlin gebe es nur einen einzigen Buchhandel für arabische Literatur. Bücher in Bulgarisch, Rumänisch oder Vietnamesisch müssten „über London“ bezogen werden. Die Bestellung sei haushaltstechnisch „etwas kompliziert“, weil die Abrechnung in in englischen Pfund erfolge. „Wenn der Euro kommt, wird alles leichter“, hofft Liebchen.

Plutonia Plarre

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