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Ein Solana macht noch keinen Sommer

■ Die EU hat jetzt einen „Außenminister“, eine gemeinsame Außenpolitik, jenseits aller nationalen Interessen, hat sie nicht

Mit dem Amtsantritt des ehemaligen Nato-Generalsekretärs Javier Solana als „Mr.Gasp“, also als „Außenminister“ der Europäischen Union, wird noch einmal ein Mythos bedient. Der Mythos nämlich, dass „Männer Geschichte machen“.

Sicher sind die Integrationsstufen Westeuropas seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges immer wieder von einzelnen Politikern geprägt worden. Das gilt insbesondere für die erste Phase, als es noch darum ging, die Menschen von der Idee eines vereinten (West-)Europas zu überzeugen und tiefverwurzelte Feindschaften – wie etwa zwischen Deutschland und Frankreich – zu überwinden. Doch auch in dieser Zeit wurde das Zusammenwachsen in erster Linie von den wirtschaftlichen und politischen Interessen der Staaten sowie von ihrem jeweiligen Verhältnis zu den USA bestimmt.

Auf dem Feld der Außen-und Sicherheitspolitik gab es in den 20 Jahren vor dem Kosovo-Krieg mehrfach Absichtserklärungen, die weit über die Schnittmenge der nationalen Interessen hinausgingen. 1980 beschloss die EG auf dem Gipfel von Venedig eine gemeinsame Nahostpolitik – eine bis heute folgenlose Ankündigung. Und im Juni 1991 forderte der luxemburgische Ratsvorsitzende mit dem Satz „Das ist die Stunde der Europäer“ die Westeuropäer auf, die Lösung der Konflikte in Jugoslawien als ihre ureigenste Aufgabe anzusehen. Dieser erste Versuch einer gemeinsamen Außenpolitik endete im Desaster. Die konträren – oder zumindest nicht deckungsgleichen – Interessen der drei Hauptmächte Frankreich, Großbritannien und Deutschland erwiesen sich als stärker.

Nicht zuletzt dieser Rückschlag trug zu der Illusion bei, die Realisierung einer gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) hänge vor allem von einer besseren Koordination ab sowie von einer besseren Außendarstellung durch eine Person. Dies allein wird nun die Aufgabe Solanas sein. Der viel gepriesene Mr.Gasp hat keine eigenen Kompetenzen und kann lediglich nach außen vertreten, wozu ihn die EU-Mitglieder zuvor ermächtigt haben. Solana hat somit weniger Möglichkeiten zur Gestaltung der EU-Politik, als die beiden für Außenbeziehungen und für die Osterweiterung zuständigen Kommissare Chris Patton und Günther Verheugen. Letztere werden zudem eifrig darauf bedacht sein, dass Solana ihnen nicht ins Handwerk pfuscht. Im besten Fall ist Mr. Gasp ein guter Kommunikator und kann nach außen den Eindruck erwecken, die EU betreibe eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitk.

Doch für die Frage, wie die EU tatsächlich handlungsfähig werden kann, ist die Fusion von DaimlerChrysler-Aerospace mit der französischen Aerospatiale-Matra zum größten Rüstungskonzern Europas viel entscheidender. Die Fusion wurde bestimmt von dem Interesse, auf diesem Sektor die Konkurrenzfähigkeit Europas zu den USA herzustellen. Diese Motivation hat seit dem Kosovo-Krieg – der von den Eliten der westeuopäischen Nato-Staaten durchweg als „von den USA dominiert“ verarbeitet wurde – erheblich an Bedeutung gewonnen.

Die USA, die in den letzten Jahren im Interesse einer Verschiebung von Lasten immer wieder einer stärkere und eigenständigere Rolle der Europäer anmahnten, sehen sich nun in einem Dilemma. Sie fürchten, die Europäer könnten es jetzt mit der Eigenständigkeit zu weit treiben, wodurch längerfristig der amerikanische Einfluss in Europa reduziert würde. Es wird eine der Aufgaben des bisherigen Nato-Generalsekretärs Solana sein, sich um die Zerstreuung dieser Sorgen in Washingotn zu bemühen. Andreas Zumach, Genf

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