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3,7 Millionen sind matt

Nach Garri Kasparows Sieg in der Internet-Schachpartie gegen die ganze Welt gibt es auch einige Misstöne  ■   Von Hartmut Metz

Berlin (taz) – Während der beste Schachspieler des Planeten, Garri Kasparow, noch seinen Sieg in der Internet-Partie gegen die Welt genoss und ankündigte, unter der Adresse www.zone.com/kasparov die Begegnung alsbald zusammen mit den Teilnehmern analysieren zu wollen, gab es auch Misstöne im World Wide Web. Sogar Manipulation wurde dem Russen vorgeworfen.

Eine der „größten Partien der Schachgeschichte“ (Kasparow) hatte ihr Ende gefunden, als am letzten Samstag 51,01 Prozent der Teilnehmer aus 79 Nationen nach 62 Zügen für Aufgabe des Matches votierten. Die Partie, die am 26. Juni begonnen hatte und in der die Kontrahenten im 24-Stunden-Rhythmus die Züge austauschten, war hoffnungslos geworden. „In spätestens 25 Zügen wäre der schwarze König matt“, tönte Kasparow nach seinem Sieg.

Zuvor hatte der 36-Jährige weniger optimistisch geklungen. Mit Hilfe von vier jungen Beratern – dem französischen Großmeister Etienne Bacrot, Irina Krush, Florin Feleca (beide USA) sowie der 14-jährigen Deutschen Meisterin der Damen, Elisabeth Pähtz – setzte die Welt dem Weltmeister von eigenen Gnaden kräftig zu. Nach 50 Zügen erreichte der vermeintlich chancenlose Außenseiter ein Damen-Endspiel, das ein Remis versprach. Die Welt besaß sogar zwei gegenüber einem Bauern Kasparows. Aber da dieser weiter in Richtung Umwandlungsfeld zur nächsten Dame vorgerückt war, befand sich die Stellung in der Balance. Doch nach „mehreren Ungenauigkeiten und dem vermutlich letzten und entscheidenden Fehler im 56. Zug, dem Bauernvormarsch nach d5“, referierte Kasparow, sei die Stellung verloren gewesen. Dann lobte er die Welt „für den großartigen Kampf“.

In den 124 Tagen löste die Partie auf dem gesamten Globus ein ungeheures Echo aus. 3,7 Millionen Schachfreunde hatten an der bisher spektakulärsten Veranstaltung im weltweiten Netz teilgenommen, über 25 Millionen Zugriffe gab es in der Microsoft-Gaming-Zone. Während der letzten Züge mischte sich jedoch Verdruss unter die ansonsten so grandiose Werbung für den Schachsport.

Lange Zeit hatte die heimliche Mannschaftsführerin Irina Krush das Geschehen mit den schwarzen Steinen bestimmt. Bis zum Eklat nach dem 57. Zug votierte die Millionenschar nur vier Mal nicht für den Vorschlag der 15-Jährigen, die das Match als Möglichkeit sah, in den USA auf sich aufmerksam zu machen. Mehrere Großmeister bis hin zu denen der St. Petersburger Schachschule, die der offizielle Weltmeister Alexander Chalifman betreibt, unterstützten Krush. Die Teilnehmer entschieden sich lediglich in den Zügen 3, 6, 51 und 52 nicht für ihre Vorschläge. Blieb dies anfangs ohne Auswirkung, verschlechterte der 51. Zug die Lage. Dabei hatte ein Unbekannter namens José Unodos zig Identitäts-Nummern in der Microsoft-Gaming-Zone für sich produziert und mit seinem Votum eine knappe Mehrheit für den Bauernzug b7-b5 anstatt des von Krush vorgeschlagenen Königszugs nach a1 erreicht.

Das Fass zum Überlaufen brachte die verweigerte Veröffentlichung, als Krush ihren 58. Zug mit der Dame nach f5 leicht verspätet eingeschickt hatte. Dadurch kam der schwache Damenzug nach e4 aufs virtuelle Brett, und Kasparows Sieg stand außer Frage. Fortan beteiligte sich Krush nicht mehr, und ihre Fangemeinde unterstützte den Boykott mit den Worten: „Wir wollen nicht, dass diese einst größte Partie der Schachgeschichte als ein weiteres simples 1:0 für Kasparow in die Bücher eingeht. Nach dem 51. Zug, vielleicht sogar früher, spielte Kasparow nicht mehr gegen den gleichen Gegner wie zuvor.“

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