: Dressierte Papiertiger und Hohlköpfe
■ Völlig von der Rolle: Horta van Hoye mit GesichterGeschichten auf Kampnagel
Kinder lieben Papier. Das kann man knallbunt anmalen, zerschneiden, verkleben und Flugzeuge daraus basteln. Die flämische Performance-Künstlerin Horta van Hoye liebt ebenfalls Papier, allerdings in Reinform: weiß und von der Rolle. Der Weg ist das Ziel, und so sitzt sie am Anfang ganz unspektakulär auf der leeren Bühne mit ihrem langen grauen Arbeitskittel, eine Erscheinung zwischen Clown und Clochard, und starrt auf das Papier. Doch dann blitzt der Schalk auf in ihren Augen. Sie tritt in Kontakt zu der Papierrolle und beginnt, meterweise das Material abzurollen, zu zerknüllen, umzulegen und zu falten. Ähnlich im Ergebnis, doch ungleich schneller und leichthändiger als bei ihren Arbeiten als Bildhauerin.
Ein gigantisch großer Mann ist entstanden, mit einem holzschnittartigen Gesicht, den sie wie eine Puppenspielerin zum Leben erweckt. Innerhalb kürzester Zeit bekommt der Riese weibliche Papier-Gesellschaft. Auch Engel und Tiere sind mit von der Partie. Mit einer wilden Mischung aus Flämisch, Deutsch, Englisch und Französisch spricht die Künstlerin mit ihren Figuren, die sie wie eine Zauberin aus der Papierrolle herausformt. Das Kauderwelsch verstehen Kinder problemlos, denn Worte spielen hier nur eine untergeordnete Rolle. Die Körpersprache steht im Vordergrund: ihre eigene und die ihrer Skulpturen. „Das ist moderne Kunst“, frotzelt sie inmitten ihrer Fastnachtsfratzen, der nostalgisch anmutenden Mondgesichter und der übrigen gespenstischen Gestalten in Weiß.
Die in der Schweiz lebende Horta van Hoye, die sich selbst „Bildermacherin“ nennt, ist nicht von Pappe: Sie dressiert Papiertiger und Hohlköpfe mit stupender Fertigkeit. Was so minimalistisch anfängt, hat sich am Ende ihrer GesichterGeschichten, die sie am Sonntag im Rahmen des KindesFestes '99 auf Kampnagel präsentiert, zu einem lebendigen Spektakel entwickelt.
Stefanie Heim
So, 31. Oktober, 16 Uhr, k2
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen