: Zum Steinerweichen
Das Thema Findling in Övelgönne ist noch lange nicht erledigt: Da kommt demnächst noch einiges auf Hamburg zu ■ Von Peter Ahrens
Der Findling, falsch, ganz falscher Anfang, „unser Findling“ (Bild), schon besser, unser aller Findling, am besten. Der neueste Stand: Er ist noch da. Er bewegt sich nicht. Er ist immer noch besprüht, „dumpf, beschmiert“ (Abendblatt), „verschandelt“ (Bild).
Ach, ja, unser aller Findling. „Geformt vom ewigen Eis, geschoben von unendlicher Naturgewalt“ (Bild), „der Ötzi von Övelgönne“ (Mopo), „Hamburgs neues Wahrzeichen“ (Bild), „alter Schwede“ (dpa), missbraucht von Sprayern, „hirnrissigen Kriminellen“ (Bild), „Idioten“ (Abendblatt), „widerlich“ (Lothar Jendro, 65, Rentner aus Wandsbek), „gemeingefährliche Schmierereien“ (Dirk Fischer, CDU), „neurotische Reaktion“ (Abendblatt), „die machen vor nichts mehr halt“ (Renate Julius, Hausfrau), da „gibt es nur eine Antwort: Die Höchststrafe“ (Bild).
Das Thema ist durch, oder? Unsinn. Wer behauptet, hier sei schon alles gesagt? Das Thema geht weiter, immer weiter. Es gibt noch geradezu einen ganzen Steinbruch von Metaphern, die dort noch ungebraucht herumliegen. Die müssen genutzt werden, auf Biegen und Brechen. Der Stein der Weisen, der Stein des Anstoßes, der Schiffsbagger brachte den Stein ins Rollen, das Herz des Sprühers ist aus Stein, die Bergung war ein Meilenstein, der Findling hing der Elbe wie ein Gallenstein quer, der Innensenator schwört Stein und Bein, dass er den Stein gegen jede Schmiererei so lange verteidigt, bis kein Stein mehr auf dem anderen ist. Bild legt nach mit der aufwühlenden Lebensbeichte des Michael Steinbrecher: „Auch ich war ein Findling.“
Weiter gehts. Dunkle Mächte machen sich wie einst an der Mauer mit Hammer und Meißel am Stein zu schaffen (Höchststrafe!), um sich Souvernirs zu sichern. Daraufhin wird am 9. November, veranstaltet von der Körber-Stiftung und dem Axel-Springer-Verlag, eine Benefizveranstaltung am Stein organisiert, ganz unbürokratisch. Ulrich Tukur, mit gramzerfurchtem Gesicht, zitiert Erich Fried: Rief einer den Steinen zu: Werdet menschlich! Die Steine antworteten: Wir sind noch nicht hart genug. Das liegt den Betroffenen wie ein Wackerstein im Magen. Abgang Tukur, Auftritt Wolf Biermann (Höchststrafe). Er schaut stumm auf den Stein, dann in die Ferne, dann wieder auf den Stein, die Schnurrbartspitzen hängen noch deprimierter nach unten als üblich, und dann rotzt er sein tieftrauriges „Du laß dich nicht verhärten in dieser harten Zeit“ gegen den Westwind die Elbe hinauf. Wenn Steine heulen könnten, der Findling täte es just in diesem Moment. Und dann singen noch Udo Lindenberg und Fettes Brot gemeinsam: „Like a Rolling Stone.“
Gut, dass der Stein wenigstens reden kann. Sein Zitat der Woche zum Thema: „Laßt mich doch in Ruhe.“ Hamburger Abendblatt, wir danken dir. Die Höchststrafe.
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