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Schönheit im Bruch

■ Pop und Furor: Die Too-Pure-Bands Bows und Billie Mahonie spielen im Knaack-Club

Das britische Label Too Pure gilt seit einigen Jahren als eine wichtige Adresse für die Zukunft von Rock, wenn nicht gar als die Wiege des britischen Postrock. So manchen Hype hat das kleine Label nur deswegen schadlos überstanden, weil seine oberste Prämisse immer lautete, den Ball flach zu halten: Die sympathischen kleinen Bands dort dürfen meist nicht viel mehr sein als eben sympathische kleine Bands.

So wie die Bows, deren charismatischem Vorsteher Luke Sutherland allerdings diese Labelphilosophie gut passt: Löste er doch vor einiger Zeit seine großartige Band Long Fin Killie auf, zog sich zurück und schrieb ein Buch. Und dokumentierte damit, dass Musik auch in Zukunft nicht mehr als ein netter Nebenaspekt seines Lebens sein dürfte.

Doch so wie die Musik seiner neuen Band Bows klingt, könnte die locker in einer Liga mit Konsens-Bands wie Lamb, Morcheeba oder den Sneaker Pimps mitmischen. Die Bows machen eine Art TripHop, dem man das Indie-Rock-Erbe anmerkt. Die Beats schön kuschelig, die Gitarren ruhig und getragen, und Sutherland hat sich in Sachen Gesang zurückgezogen und lässt schöne Frauenstimmen im Zentrum des musikalischen Geschehens stehen. Bevor es dann aber gelegentlich richtig schwülstig zu werden droht, bewahren stets irgendwelche verstörenden Loops oder dunklen Streichersätze die Musik davor, lediglich boutiquenkompatibel zu sein.

Um einiges schwerer im Magen liegen Billy Mahonie, die sich mit den Bows nicht bloß die Plattenfirma, sondern auch den Schlagzeuger teilen. Ein Stück ihrer aktuellen Platte heißt zwar „Yeah, Yeah, Yeah, Yeah, Yeah“, aber eigentlich meinen sie es gar nicht so. Vier Menschen konzentrieren sich hier auf ihre Instrumente und verzichten auf den Gesang.

Natürlich spielt der Schlagzeuger mindestens so gut wie Keith Moon, und die Gitarristen machen deutlich, dass sie schwindelerregende Soli hinlegen könnten, wenn sie nur wollten. Sie wollen aber nicht, den Indierock-Göttern sei Dank.

Denn was hier zählt, ist die kompakte Einheit Band. Gemeinsam laut werden, gemeinsam leise spielen, gemeinsam draufkommen, gemeinsam wieder runterkommen. Die schottische Band Mogwai hat mit einem ähnlichen Sound sogar die englischen Hitparaden gestürmt.

Billy Mahonie aber wird das nicht passieren. Denn dafür sind sie zu verfrickelt und wollen nicht wirklich eine Melodie aufbauen oder gar halten: Furor und Bruch kommen bei ihnen vor Schönheit. Was aber bei ihren Gigs niemand davor schützen dürfte, bass erstaunt zu sein und den Mund vor lauter Verwunderung nicht wieder zuzubekommen.

Andreas Hartmann

Heute Abend, 21 Uhr, Knaack, Greifswalder Str. 221, Prenzlauer Berg

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