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Keine blutigen Nasen im OB-Kampf

■ Große Koalition in Bremerhaven schreibt den Posten zum Oberbürgermeister teuer aus / Eine „Farce“ finden die Grünen

Der Wahlsieg der SPD in Bremerhaven war am 27. September noch keine 24 Stunden her, da antwortete der Bremer SPD-Parteichef Detlev Albers auf einer Pressekonferenz: Dass die SPD den Oberbürgermeisterposten in Bremerhaven beanspruche, sei nun wohl logisch. Auf die Frage, wer es denn werden könnte, antwortete Albers mit ebensolcher Selbstsicherheit: „Wir haben einen Spitzenkandidaten und der wird auch Kandidat werden.“

Bei der wenig später stattfindenden Delegiertenkonferenz der SPD-Bremerhaven sagte die UB-Vorsitzende (und Sozialsenatorin) Hilde Adolf nach einem Frosch im Hals: Es sei wohl auch für sie eine ungewohnte Sache, solche Positionen wie die des Oberbürgermeisters neu besetzten zu können. Sympathisches Lachen.

Der Spitzenkandidat, der sich mit der CDU am Freitag auf einen Koalitionsvertrag für die nächsten Jahre geeinigt hat, ist der Jurist Jörg Schulz. Ursprünglich wollte Bürgermeister Henning Scherf (SPD) den verdienten Kommunalpolitiker zum „Bremerhaven-Beauftragten“ machen – ein neuer Posten, der wohl auch dazu gedacht war, den damals amtierenden Oberbürgermeister Manfred Richter in Schach zu halten. Es hagelte Proteste von CDU und Grünen, die Ämterversorgung am Vorabend einer Wahlniederlage rochen. Doch Richter trat kurz vor der Wahl zur Stadtverordnetenversammlung aus gesundheitlichen Gründen zurück und machte damit Platz für einen Nachfolger. Und wider erwarten gewann die SPD auch noch die Wahl in Bremerhaven.

Alles klar also für Jörg Schulz, den früh deklarierten Kronprinzen? Problem: In Bremerhaven müssen bezahlte Stellen für hauptamtliche Dezernenten eigentlich offiziell ausgeschrieben werden. Aussichtsreiche Bewerber müssen eingeladen, anstehende Fahrtkosten und Übernachtung bezahlt werden. Das ist so seit 1991 Usus: Die kurzzeitig regierende Ampelkoalition beschloss ein solches Verfahren in ihren Koalitionsvereinbarungen, wohinter die SPD/CDU-Koalition jetzt nicht einfach zurückbleiben kann. Sonst wäre sofort der Vorwurf des Partei-Filzes da.

So wurde also die Stelle, die der SPD-Mann Jörg Schulz bekommen soll, am 16. Oktober brav in vier Tageszeitungen ausgeschrieben: Weser Kurier, Nordsee Zeitung, FAZ und Welt. Kosten allein dafür: Zwischen 12.000 und 15.000 Mark. „Gesucht wird eine dynamische, kooperative und kompetente Persönlichkeit, die mehrjährige Erfahrung in Spitzenfunktionen der Wirtschaft oder Kommunalverwaltung oder Kommunalpolitik einbringen kann und zu konstruktiver und integrativer Zusammenarbeit mit den politischen Gremien und den übrigen gesellschaftlich relevanten Gruppen bereit ist.“ Das passt auch auf Schulz. Bewerbungsschluss: 30. Oktober.

Über das Verfahren regen sich eigentlich nur noch die Grünen auf, die nur noch drei von 48 Sitzen in der Stadtverordnetenversammlung haben und nun den 42 Abgeordneten der Großen Koalition gegenüberstehen (weitere drei Sitze hat die rechtsextreme DVU). Dass die SPD ein Vorschlagsrecht bei der Kandidatenauswahl haben soll, ficht auch Michael Frost, Geschäftsführer der Grünen in der Stadtverordnetenversammlung, nicht an. Weil man sich allerdings schon so frühzeitig auf Schulz als Oberbürgermeister festgelegt hat, empfindet er das ganze Auswahlverfahren als eine „Scheinveranstaltung“, eine „Farce“, ja, gar einen „Skandal. So ein Verständnis von Demokratie ist fatal für Bremerhaven“, sagt er. Tatsächlich ist davon auszugehen, mutmaßt auch Wolfgang Schmidt von den Grünen: Gute Bewerber werden sich in Bremen nun nicht melden. Denn kein Bewerber wird sich eine blutige Nase holen wollen. Das schadet dem eigenen Marktwert bei der nächsten Bewerbung.

Christoph Dowe

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