Ökolumne: Pharming“
■ Wenn Landwirtschaft und Pharmazie verschmelzen
Börsenanalysten verkünden den Tod der grünen Gentechnik. Die Deutsche Bank empfiehlt, biotechnologische Werte von Saatgut-Herstellern wie Novartis abzustoßen. Der US-Konzern Monsanto, mit seinem High-Tech-Samen einst gefeierter Pionier, ist saft- und kraftlos geworden. Er sucht nun potente Kapitalspender. Ist der herbizidresistente Bt-Mais am Ende? Die Gensoja via Aktienindex fertiggemacht, bevor sie so richtig aufblühen konnte?
Zu schön, um wahr zu sein. Die Launen der Börsianer werden auch künftig eine Debatte über die grüne Gentechnik nicht ersetzen. Noch während Monsanto publikumswirksam aus der Terminator-Technologie aussteigt, die ja Bauern zum Wiederkauf unfruchtbar gemachter Pflanzensamen zwingt, formiert sich die Branche neu. Life Science heißt das Stichwort. Landwirtschaft und Pharmazie sollen künftig in den Genlabors zu schönen neuen Produkten verschmelzen. Die Megafusion der Frankfurter Hoechst AG mit Poulenc zu Aventis dient diesem strategischen Ziel. Tausende Patente liegen dafür in der Schublade.
Die Käufer jedenfalls werden den Designer-Erzeugnissen der zweiten Generation nur schwer widerstehen. Sie könnten Akzeptanz schaffen und damit zum „Türöffner“ für die Gentechnologie überhaupt werden. Markenzeichen: praktisch und gesund. In Zürich arbeiten Forscher an einer koffeinfreien Kaffeesorte, und in Großbritannien ist schon ein kalorienreduziertes Bier auf Basis von Gen-Tech-Hefe zugelassen. Attraktiv für Gesundheitsbewusste: Genrapsöl mit mehrfach ungesättigten Fettsäuren. Auch an Getreide voll krebsbremsender Beta-Karotine ist gedacht. „Tasty Health“ und „Neutraceuticals“ heißen die Trendausdrücke aus der Genküche.
Schon bald wird es Plantagen mit molekular umgebauten Kartoffeln geben, die in ihren Zellen Tumorabwehrstoffe und Antibiotika bilden. Das „Pharming“ macht aus dem Gemüseacker eine Großapotheke. Vermutlich ist es nur ein Frage der Zeit, bis Lebensmittel bereits jene Stoffe enthalten, welche die Folgen ihres exzessiven Genusses abmildern: Verdauungsbakterien im Sahnekuchen oder Leberenzyme im Cognac. Die Grenze zwischen Nahrung und Medizin verschwimmt.
Angesichts solcher Visionen sind die Flops der Vergangenheit rasch vergessen. Etwa die bejubelte Anti-Matsch-Tomate. Das pralle Ding fristet inzwischen ein ruhmlos püriertes Dasein in Ketchupflaschen. Sein Geschmack war überraschend metallisch. Sowas braucht nicht verwundern. Denn die Gentechnik befindet sich nach wie vor in ihrem Faustkeilstadium, und entsprechend wird am Erbcode rumgeklempnert. Wer etwa über die DNS Wachstumsproteine ausschalten möchte, um Geschwüren die Blutzufuhr abzuschneiden, darf sich nicht wundern, wenn gleichzeitig andere Wachstumsprozesse im Körper gestört werden.
Wie mit dem Blindenstock tasten sich Biotechniker über die Genlandkarten, um möglichst rasch ihre (Patent-)Claims abzustecken. Damit die Kasse klingelt. Gesucht wird jedesmal ein Genschalter, der eine bestimmte Eigenschaft „anknipst“, etwa Virusresistenz. Von der chemischen und energetischen Orchestrierung des kompliziertesten aller Moleküle - der DNS – haben die Mechanisten aber nicht die leiseste Ahnung.
Bis heute gibt es keine Assekuranz, die Firmen gegen mögliche Folgeschäden der grünen Gentechnik angemessen versichert. Weil sich die Risiken versicherungsmathematisch gar nicht erfassen lassen. Dabei geht es keineswegs nur um wild gewordene Laborzombies, die sich – wie jetzt Genraps in Kanada – mit ihren natürlichen Verwandten kreuzen und für Nachkommen mit unerwünschten Eigenschaften sorgen.
Sämtliche Getreidearten außer Weizen, Reis und Mais schwinden auf der Erde. Und selbst von diesen drei gibt es nur noch wenige Sorten. „High-Tech-Agrarsysteme fußen auf einer schmalen genetischen Basis und haben die Hauptgetreide-Arten anfällig gemacht für Schädlingsplagen und Umweltveränderungen“, so das Londoner Panos-Institut. Sollte die Gentechnologie im Agrarsektor triumphieren, erledigt sie die natürliche Vielfalt noch schneller.
Mag ja sein, dass die Wohltaten genetisch aufgerüsteter Lebensmittel unverzichtbar erscheinen. Doch stellt sich die Frage, ob wir die schrankenlose Industrialisierung des Lebens hinnehmen wollen. Das „Freiland“ würde in bisher ungekanntem Ausmaß kolonisiert mit biotechnischen Schöpfungen, die sich von allein vermehren – eigenständig reproduktionsfähige Industriegüter. Ein vollkommenes Novum in der Geschichte. Thomas Worm
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