: Schwänke aus Kakanien
■ Bei seinen Auftritten musste Roda Roda schnell sein, bevor die Tomaten flogen. Hans Traxler hat seine Geschichten neu entdeckt
Dieser Mann spricht alle Sprachen des Kontinents. Deutsch, bürokratisch, bayerisch, weanerisch, jiddisch, preißisch, durch die Nase, kokottisch ... und jedesmal so unheimlich echt“ – so pries Kurt Tucholsky seinen Kollegen Alexander Rosenfeld, der unter dem Namen Roda Roda unzählige Humoresken, Anekdoten und Schwänke über trottelige Offiziere, bankrotte Künstler, verknöcherte Adlige und das restliche Personal der verblichenen österreichisch-ungarischen Monarchie erfolgreich veröffentlichte.
Heute ist Roda Roda, der 1945 im New Yorker Exil starb, fast vergessen. Der Zeichner Hans Traxler, Mitbegründer der Satirezeitschriften Pardon und Titanic, will das ändern. Aus „Das große Roda Roda Buch“, einem der drei Bücher, die sich Traxler nach dem Krieg von seinem ersten selbst verdienten Geld gekauft hatte, wählte er rund 100 Stücke aus, illustrierte sie mit 20 Zeichnungen und gibt sie nun als „Das neue Roda Roda Buch“ heraus.
„Wie es im multikulturellen Kakanien zuging“, will Traxler, der selbst aus Böhmen stammt, mit dem Band zeigen – aber auch „wie subtil, wirkungsvoll und handwerklich sauber Roda bei seiner Arbeit vorging“: „Roda macht nicht viele Worte.Vielleicht hat er bei seinen vielen öffentlichen Auftritten gelernt, wie wichtig es ist, auf den Punkt zu kommen, bevor die ersten faulen Tomaten fliegen. Um diese Grundschnelligkeit zu erreichen, hat er einen Kunstgriff zur höchsten Blüte entwickelt: die Kunst des richtigen Namens, des Titels, des Ortes, des Berufs. Genau das ist eine Technik, die auch der Karikaturist beherrschen sollte: Mit ein paar schnellen Strichen den Beschauer in ein ganz bestimmtes Milieu, unter bestimmte Leute, in eine bestimmte, möglichst eigenartige Umgebung zu befördern.“
Traxlers Auswahl bringt die Leser in die Welt zwischen Bodensee und Karpaten, Mähren und Slawonien, zum Beispiel zu Zibebenstrudl, dem betrügerischen Wirt einer galizischen Bahnhofsgaststätte, oder ins Kriegsgericht Esseg, wo ein Kanonier zu nur fünf Jahren Kerker verdonnert wird – weil „seine Schuld in keiner Weise nicht einmal im entferntesten nachgewiesen werden konnte“. Roda lässt sich auf seinen zahlreichen Reisen begleiten, etwa nach München, wo ein junger Musiker eine wertvolle Geige bekam und folglich in einer Schwabinger Kneipe gefeiert wurde: „Um fünf Uhr morgens, überglücklich, kroch der Musiker auf allen vieren heim und zog die Stradivarius an der G-Saite im Dreck hinter sich her.“
Bei seinen Illustrationen hat sich Traxler vor allem auf die von Roda beschriebenen amourösen Abenteuer beschränkt. Wer hofft, auf den – in Habsburger-Gelb gehaltenen – Zeichnungen altösterreichisches Lokalkolorit zu finden, wird daher enttäuscht. Während Traxler zum Beispiel in seinem Buch „Der große Gorbi“ mit viel Liebe zum Detail sowjetisches Leben geschildert hatte, sind hier nur vereinzelt österreichische Uniformen zu entdecken. Die irrwitzige Geschichte von Rodas Nordpolexpedition, die nach unglaublichen Strapazen bei Rostock scheitert, sollte allerdings alle Fans der k.u.k, k.k sowie königlich ungarischen Länder entschädigen.
Traxler beendet sein Buch mit einer kurzen Biografie Roda Rodas. Sie geht über unschöne Punkte des Lebenslaufes, etwa dass Roda sich gerne als deutschnationaler Herrenreiter aufspielte, auch schon mal Bürgerliche, die ihm im Wege waren, öffentlich auspeitschte und im Ersten Weltkrieg als Kriegsberichterstatter unterwegs war, mild hinweg – im nostalgischen Rückblick war das Habsburgerreich doch nicht so schlecht. Roda Roda selbst hat sich auch nie viel aus Kritik gemacht. Die gehässigen Angriffe von Karl Kraus beantwortete er so: „Man wirft mir vor, ich produziere zuviel, zu wahllos, und schade dadurch meinem Ruf. Unsinn. Ich halte mich an das Beispiel Gottes: was hat Gott nicht alles geschaffen – wieviel Mist ist darunter – und was hat Gott für einen Namen!“
Martin Ebner
„Rote Weste und Monokel. Das neue Roda Roda Buch“. Herausgegeben und illustriert von Hans Traxler. Zsolnay Verlag, Wien. 248 Seiten, 34 DM
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