■ US-Präsident Clintons Reise zu den Krisenregionen Europas: Beim Wort nehmen
Auch wenn sich Jubel und Kritik, Zustimmung und Ablehnung bei der Rundreise des amerikanischen Präsidenten Bill Clinton in den südlichen europäischen Krisenregionen die Waage hielten, so hat der US-Amerikaner es doch verstanden, bei den richtigen Leuten anzuecken. Unter seiner Präsidentschaft hat die Außenpolitik der USA allmählich neue Konturen gewonnen. Er machte wieder einmal den Diplomaten Europas vor, dass Politiker in Gastländern offene Worte finden können, dass sie in Bezug auf Missstände und Fehlentwicklungen nicht unbedingt zu schweigen brauchen.
Natürlich ist Clinton kein Revolutionär, der bereit ist, alles vorher Gewesene auf den Kopf zu stellen. Sein Eintreten für Demokratie und Menschenrechte ist jedoch seit Jahren deutlich. Clinton hebt die US-Politik ab von der zynischen Weltmachtattitüde eines Ronald Reagan und ist deshalb bei vielen Menschen in Europa sogar sehr populär geworden. Selbst in der Türkei. Nicht alle „Freunde“ sind über seinen Einfluss glücklich. Die missmutigen Gesichter der von den USA traditionell gehätschelten türkischen Politiker hatten sicherlich auch damit zu tun, dass sich das Präsidentenpaar bei den Erdbebenopfern, die noch kein türkischer Politiker von Rang besucht hat, sehen ließ. Mehr aber noch damit, dass sie sich deutliche Mahnungen wegen Kurdistan anhören mussten. Die klaren Worte Tschetscheniens betreffend führten auf der OSZE-Konferenz sogar zum Eklat mit Jelzin. Die „Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten“ ist in der Tat ein veraltetes Konzept – und wird in dem Beschluss der OSZE unter Mithilfe der Europäer weiter ausgehöhlt.
Problematisch wurde Clintons Auftritt in Griechenland. Zwar entschuldigte er sich dafür, dass die USA in den Sechzigerjahren das Obristenregime stützten – doch für dessen zahlreiche Opfer war diese Geste nur ein schwacher Trost. Und natürlich beruhigte sie auch nicht die anti-amerikanischen Demonstranten und die Gegner der Kosovo-Intervention in Athen. Die traditionelle griechische Linke wird jedoch begreifen müssen, dass ihr Protest mehr auf nationalistischen Gefühlen denn auf der Verteidigung universaler Prinzipien beruht. An diesen Prinzipien muss sich die Politik der USA ebenso wie die Europas messen lassen. Was Tschetschenien und Kurdistan betrifft, sind jetzt nicht nur schärfere Worte, sondern vor allem Taten nötig. Clinton muss beim Wort genommen werden, auch dann, wenn es um Waffengeschäfte geht. Erich Rathfelder
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