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Die Bauunternehmen sind überfordert

■ Konzerne wie Holzmann blicken bei ihren Großbaustellen oft nicht mehr durch. Die Preiskonkurrenz in Europa tut ein Übriges

In der Bauwirtschaft herrscht ein großes Durcheinander. Banken müssen Milliarden Mark als Verlust buchen, weil sie sich mit Bauprojekten verkalkuliert haben. Konzerne wie vor Jahren die österreichische Baufirma Maculan und jetzt Holzmann brechen zusammen. Sondereinheiten der Polizei stürmen halbfertige Bürohochhäuser, um illegale Arbeiter aus Kroatien und der Ukraine zu jagen, die zwei Mark pro Stunde verdienen. Die Bundesregierung watet durch Berliner Schlamm, weil der Tiergartentunnel abgesoffen ist.

Was ist los am deutschen Bau? Zunächst einmal nichts Besonderes: „Dem Bauboom nach 1989 folgt nun die Normalisierung“, sagt Experte Bernd Bartholmai vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung. Nach dem Anschluss der DDR wurde halb Ostdeutschland neu asphaltiert und tausende Plattenbauten mit farbigen Fassaden versehen. Spätestens seit 1995 aber ist der außergewöhnliche Aufschwung zu Ende: Es werden weniger Wohnhäuser, Supermärkte, Büros und Straßen in Auftrag gegeben. Schlecht für die Firmen: Sie kranken an Gewinnausfällen.

Die schwache Baukonjunktur ist die eine Sache, die neuartige Geschäftspolitik gerade der großen Baukonzerne eine andere. Unternehmen wie Holzmann bauen nicht mehr so viel mit eigenen Baukolonnen wie früher, sondern verlegen sich darauf, die gigantischen Baustellen zu organisieren. Außerdem betätigen sie sich als Projektentwickler für Geschäftsviertel und Wohnsiedlungen.

Diese neuen Aufgaben scheinen manche Firma zu überfordern. Wenn ein Einkaufzentrum dem Bauunternehmen selbst gehört, muss dieses auch die sinkenden Mieten, wie zuletzt in Ostdeutschland, verkraften. Und oft läuft das Management völlig aus dem Ruder. Die Bauleiter von Hochtief, Holzmann oder Strabag koordinieren hunderte von Subunternehmern, die die eigentliche Arbeit machen: Stahlmatten flechten und Beton gießen. Die Konzerne blicken durch das Gewirr der Gewerke selbst nicht mehr durch, und sehen mitunter nicht, welchen Pfusch die billigen „Suppies“ hinterlassen. Dann muss der Generalübernehmer haften.

Dass sich die Firmen seit Jahren einen gnadenlosen Preiskampf liefern und Aufträge annehmen, die oft nicht einmal die Kosten hereinholen, hat etwas mit der Liberalisierung innerhalb der Europäischen Union (EU) zu tun. Seitdem Betriebe aus Portugal und Schottland ihre Leistungen auch in Deutschland frei anbieten können, hat die Konkurrenz erheblich zugenommen. Einheimische Unternehmen sehen oft alt aus, denn die ausländischen Beschäftigten bekommen niedrigere Löhne. Ergebnis bislang: Die Zahl der arbeitslosen Bauarbeiter ist von 110.000 (1992) auf rund 270.000 (1998) gestiegen. Die Konkurrenz osteuropäischer Billigstanbieter, die unter strenger Kontrolle der Arbeitsämter und der Polizei stehen, spielt dagegen keine große Rolle. Hannes Koch

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