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Kita-Fest im Rathaus

200 Kinder und Eltern besuchten gestern den Jugendausschuss: Der diskutierte über die umstrittene Kita-Card  ■ Von Sandra Wilsdorf

Gestern gab es im Rathaus tro-ckene Brötchen, Butterkekse und Kindertee aus Nuckelflaschen. Und eine Diskussion, so trocken wie das Gebäck im Jugend- und Sportausschuss. „Ich finde das total langweilig“, klagte ein kleines Mädchen, das wie viele Gleichaltrige von Mama und Papa mitgeschleppt worden war.

Deshalb tobte es lieber auf den Rathausfluren, während drinnen Politiker über die Kita-Card diskutierten und aufgeregte Eltern und Mitarbeiter von Kindertagesstätten dazu abwechselnd klatschten und Köpfe schüttelten. Etwa 200 Kinder und Erwachsene gaben der gestrigen Sitzung den Flair eines Kindergeburtstages. Herzhaftes Ziehen an Gardinen, Klettern auf ehrwürdigen Stühlen und Krabbeln auf dicken, roten Teppichen statt Topfschlagen. „Ich finde das hier schön, weil man so gut spielen kann“, sagt ein Mädchen. „Und warum sind wir hier?“ fragt Mama. „Wir wollten mit dem Bürgermeister schimpfen“, sagt die Tochter.

Mama will noch, dass sie sagt, dass die Kinder mehr Erzieher wollen. Aber dann übernimmt sie das Wort lieber selber: Dass sie kein gutes Gefühl bei der Arbeit habe, wenn sie ihr Kind nicht gut betreut glaubt. Und dass sie die Kita-Card schlecht findet. Deren Einführung planen SPD und GAL für das Jahr 2002. „Ich arbeite jeden Tag sechs Stunden, mit der Kita-Card bekomme ich nur noch genau sechs Stunden Kinderbetreuung bewilligt.“ Mit An- und Abreise bräuchte sie mindestens sieben. „Also muss ich eine Stunde dazukaufen. Das wird irgendwann so teuer, dass sich das Arbeiten nicht mehr lohnt.“

Tatsächlich soll sich die Kita-Card, so sagen es die Regierungsfraktionen, stärker am Bedarf der Eltern oriententieren, als das bisher der Fall ist. Schon jetzt gibt es die Kinder, die einen Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz haben, weil sie zwischen drei und sechs Jahren alt sind, ihre Eltern beide arbeiten, allein erziehen oder in der Ausbildung sind. Bei allen anderen entscheidet bislang das Amt für Jugend, ob und wieviele Stunden das Kind in eine Kita darf.

Zukünftig sollen das die Bezirksämter entscheiden. Weil diese mit Budgets ausgestattet werden, fürchten Kritiker, dass Ermessensspielräume strenger ausgelegt und die Kinder daher weniger oder schlechter betreut werden. Kleine Träger bangen außerdem um ihre Existenz, weil sie nicht genügend Personal haben, sich komplett an den Bedürfnissen der Eltern zu orientieren.

Das Amt für Jugend hat nun einen Entwurf vorgelegt, der im Ausschuß kontrovers diskutiert wurde. Während Thomas Böwer (SPD) beteuerte, „es geht nur um die Frage, wie wir die vorhandenen 600 Millionen Mark für Kinderbetreuung bedürfnisorientierter einsetzen können“, fragte Lutz Jobs (Regenbogen): „Wenn das so wäre, warum sind dann alle diese Leute hier?“ Und für Bettina Pawlowski (CDU) ist klar: „Dass die Kita-Card mit Einsparungen nichts zu tun haben soll, glauben wir nicht.“

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