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■ DaumenkinoDer Kaiser und sein Attentäter

In Cinemascope, hieß es im Hollywood der 50er-Jahre, könne man eigentlich nur Männer auf Pferden filmen – und Beerdigungen. Chen Kaige scheint das beherzigt zu haben: Ja, es wird viel geritten, gestürmt und gestorben in seinem blutgetränkten Schlachtengemälde.

Einmal selbst Feldherr auf dem Klappstuhl sein, muss er sich gedacht haben, als man ihm das Projekt antrug. Und das geht eben heute nur noch in der Volksrepublik. Anders als in Hongkong vermasseln dort keine ständig startenden und landenden Flugzeuge das Naturerhabene – Komparsenkolonnen für ein paar Schalen Reis. Bereits jetzt erzählt sich „Der Kaiser und sein Attentäter“ im Modus des Superlativs als mit zehn Millionen Dollar teuerster chinesischer Film aller Zeiten.

Gong Li, dem Vorzeigegesicht der Volksrepublik, hat Kaige wieder eine von diesen Rollen verpasst, für die bei aller Liebe inzwischen kaum mehr als ihr reiner Wiedererkennungswert spricht. Stets übersetzt sich in ihnen die Weite des historischen Spektakels als Enge des häuslichen Melodrams hinter die Palastmauern, und dort herrscht ein einziges großes Frauenleiden – ganz gleich,ob der Film nun „Shanghai Serenade“ oder „Die rote Laterne“ heißt. Allein: Diesmal wollen das Melodramatische und das Monumentale nicht so recht zusammenkommen. Eigentlich wollte Kaige übrigens eine Low-Budget-Komödie drehen, deren Inhalt den chinesischen Filmbehörden allerdings zu kontrovers erschien.

Am anderen Ende seiner Möglichkeiten rollt so die Geschichte Ying Zhengs ab, des ersten Kaisers von China, der im 3. Jahrhundert vor Christus das in sieben Königreiche geteilte Reich in einem gewaltigen Blutbad eint. An seinem Hof lebt die Konkubine Zhao, die sich in einer Intrige shakespeareschen Ausmaßes gegen ihren dem Wahnsinn anheim fallenden Herrn zu behaupten sucht. Der historische Ausgang vom Sieg der Zentralgewalt ist bekannt. Ihr Schatten liegt selbst noch auf diesem Stück chinesischer Repräsentationskultur, in dem die Kulissen endgültig ihre statische Herrschaft über die Akteure übernehmen. Schön anzusehen ist das allemal – eben wie „Star Wars“ handgemacht. Tobias Nagl ‚/B‘„Der Kaiser und sein Attentäter“. R: Chen Kaige. China 1998. 163 Min.

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