Zur Vorschau: Wahrheit ist Lüge
■ Eine neue Core-Jazz-Konzertreihe im Freizi Friese be-ginnt heute mit Regional/Intercontinental/Astralbands
War bislang das Jugendhaus in der Friesenstraße eher Austragungsort für derb-schlichte Hardcore- und Punkrock-Events, wird es von nun an auch mal Avancierteres auf die Ohren geben. Die „Flying Luttenbachers“ aus Chicago sind dabei eine mehr als würdige Hauptattraktion für die erste Veranstaltung der neuen Konzertgruppe. Wer sie vor zwei Jahren in der Buchtstraße gesehen und gehört hat, weiß zwar, dass er/sie es mit einer zumindest ungewöhnlichen und äußerst abenteuerlustigen Band zu tun hat, muss sich aber dennoch in die Friesenstraße bequemen, um zu wissen, was Weazel Walter, Mastermind und Schlagzeuger der Luttenbachers, sich diesmal ausgedacht hat. Mit zwei neuen Mitmusikern an Standbass und Saxophon hat er den Noise-Jazz-Grindcore der letzten Besetzung hinter sich gelassen und steuert nun auf offenere Gefilde zu. Auf ihrer neuen Platte 'The Truth Is A Fucking Lie' erinnern die Flying Luttenbachers, unterstützt von einer Reihe Gäste, wieder an ihre chaotische, freak-jazzige Frühphase. Und auf der Bühne gehen das Trio dann folgerichtig einfach noch einen Schritt weiter. Was auf 'The Truth....' an Form existiert, verliert hier völlig an Bedeutung. Punk-Jazz nennen es die Luttenbachers, und das ist natürlich (mal wieder) weniger als musikalische Form, denn vielmehr als Haltung zu verstehen. In your face!
Sie ist nicht ganz so frei, jedoch: Ungeschulten HörerInnen wird es wahrscheinlich zunächst schwer fallen, im Geflecht der „Ilse Lau“-Musik oben und unten, hinten und vorn, richtig und falsch zu erkennen. Hat das Stück eigentlich schon angefangen? Oder ist es womöglich gar schon vorbei? Waren es nicht vielmehr gleich mehrere Kompositionen? Von geraden Takten haben Ilse Lau jedenfalls seit geraumer Zeit genug und mit Rockmusik in einem engeren Sinne wollen sie schon gar nichts zu tun haben. Aber sie genießen es, Menschen vor den Kopf zu stoßen, weshalb sie nichts gegen eine gewisse Lautstärke und noch weniger gegen deutliche Verstöße wider die gute alte Harmonielehre haben. Ein Schlagzeuger mit Hardcore-Hintergrund, ein Bassist, der schon in einer echten Punkband gesichtet wurde, ein Gitarrist, der aus Aurich kommt, und ein Saxophonist/Klarinettist, der sonst ganz seriös in Free Jazz und neuer E-Musik macht. Die Beherztheit der einen Schule geht bei Ilse Lau mit dem avancierten Wissen der anderen Welt eine spannungsreiche, nervöse Liaison ein, was auf einer persönlichen Ebene ja nicht schön sein muss, aber in Musik gegossen zu hervorragenden Ergebnissen führen kann.
„Demenz durch Alltag“ schließlich sind zwei Bassisten und ein Drum-Computer, die unterstützt von krachenden Samples und durch den Reißwolf gedrehten Stimmen Endzeitstimmung verbreiten.
Definitiv eines der Konzert-Highlights des Monats! A.S.A.S
heute, 21 Uhr, im Freizi Friesenstraße.
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