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Milosevic wird stärker und die Opposition immer schwächerAlle blicken nach Moskau

Die serbische Opposition hat eine neue Niederlage zugeben müssen, das Regime unter Präsident Slobodan Milošević zeigt sich gefestigt wie nie seit 1996. Nachdem sich Vertreter der relevanten Oppositionsparteien Serbiens Ende der vergangenen Woche am Rande der G-8-Konferenz für eine knappe Stunde mit Amerikas Frau Albright und Deutschlands Joschka Fischer getroffen hatten, stellte ein Teil von ihr, die Allianz für den Wandel, ihre allabendlichen Protestveranstaltungen in Belgrad ein.

Seit dem 19. August hatten sie protestiert. Ihre Idee war, eine Übergangsregierung zu erzwingen, die demokratische Neuwahlen ausschreiben könnte. Der andere, wahrscheinlich stärkere Oppositionsblock, die SPO genannte Partei unter Vuk Drašković, war da von Anfang an anderer Meinung gewesen. Sie wollte erst ausloten, ob Wahlen unter der derzeitigen Regierung möglich seien. Jetzt ist auch sie überzeugt davon: So geht es nicht. Dennoch forderte auch sie, die Allianz solle ihre Demonstrationen einstellen, die mittlerweile so wenige Menschen bewegten, dass sie dem Regime als Zielscheibe für Spott dienten. Wenn ein Protest notwendig sei, solle er unter Führung der SPO stattfinden. So ist die Kapitulation der Allianz und des Präsidenten der Demokratischen Partei, Zoran Djindjić, auch ein Sieg der SPO, nicht nur der serbischen Regierung.

Nun ist der in Serbien charismatische Drašković gefragt. Eine schillernde Figur. Stets hatte er betont, er habe die großen, Milošević tatsächlich gefährlichen Kundgebungen angeführt und zum Sturm gegen die Regierung aufgerufen. Das stimmt. Aber er hatte sich auch dafür hingegeben, zeitweilig Vizepremier einer Bundesregierung unter Milošević als Staatspräsident zu sein.

Die SPO hat inzwischen eine kämpferische Jugendorganisation unter dem Namen „Die Falken“ gegründet. In Serbien wird angenommen, sie könnte in eine paramilitärische Gruppierung umgewandelt werden. Zur Zeit aber sieht es fast aus, als habe Drašković Angst vor dem eigenen Mut bekommen.

Tschetschenien ist weit von Serbien entfernt, trotzdem blicken alle Politiker des Landes wie gebannt in Richtung Grosny und vor allem Moskau. Die regimetreuen Medien beschreiben den Krieg im Kaukasus mit denselben Worten wie die russischen, es handele sich um terroristische Banden, die einen Teil des heiligen Russland besetzt hielten und beseitigt werden müssten. Die wenigen unabhängigen Medien wagen in dieser Hinsicht nicht zu widersprechen. Die allzu vielen Parallelen zur Tragödie im Kosovo lassen sich nicht übersehen. Nur dass der große Bruder im Osten eben die Atomkeule in der Faust hält und sicher keine Nato auf der Welt existiert, die ihm in den Arm fallen könnte.

In der vergangenen Woche war ein Besuch des russischen Verteidigungsministers Marschall Igor Sergejew in Serbien und Montenegro angesagt. Angeblich hatte er in seiner Mappe geheimdienstliche Erkenntnisse über die Absicht des Pentagon, in Montenegro zu Gunsten des dortigen Präsidenten Djukanović einzugreifen, die er seinen Belgrader Freunden nicht vorenthalten wollte. Er ist aber nicht gekommen, und sowohl Serbien als auch Montenegro buhlen um die Gunst der zukünftigen Machthaber im Kreml, deren Absichten und persönliche Präferenzen auf dem Balkon noch nicht klar erkenntbar sich.

Der Westen kommt, wie so oft, zu spät. Spektakulär sind einige hundert Tonnen Heizöl im Rahmen des Programms „Energie für Demokratie“ in den von der Opposition regierten Städten Niš und Pirot angekommen, aber der Rest Serbiens, vor allem Belgrad, wird vorerst mit russischem Erdgas gut beheizt. Es kommt durch Ungarn, das nach anfänglichem Zögern nicht wagte, den Transit des nicht nur das Leben, sondern auch das Regime erhaltenden Gases zu verhindern, denn – Nato hin, EU her – auch Ungarn ist auf diese Energiequelle aus Russland immer noch angewiesen.

Sicher wird im anbrechenden Jahrtausend auch in Serbien der Weg in Richtung Demokratie und Menschenrechte gefunden werden, ob das aber schon im ersten Jahr, dem nächsten, gelingen wird, bezweifeln im Augenblick immer mehr Bürger des verelendeten, von aller Welt isolierten Landes. Ivan Ivanji

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