: Der „Weatherman“ wusste Bescheid
Jörg Kachelmann wirft den Wetterdiensten Kurzsichtigkeit vor
Jörg Kachelmann ist entrüstet: „Die schauen nicht mal zum Fenster raus“, kritisiert der Wetterentertainer den Deutschen Wetterdienst (DWD). Beim letzten Orkan an der Nordsee hätte der staatliche Dienst 110 Stundenkilometer berechnet: „Aber drei Stunden vorher sind auf Sylt bereits 160 Stundenkilometer gemessen worden“, erklärt Kachelmann. Die Staatsmeteorologen würden nur ihre Computerausdrucke betrachten. Deshalb hätten sie auch den Orkan „Lothar“ am Sonntag nicht rechtzeitig vorhergesagt.
Kachelmann dagegen warf den Computerstreifen des DWD kurzerhand in den Papierkorb und ging nach „Väter Sitte“ vor: „Ich habe den Luftdruck gemessen und nach Frankreich geblickt, wo der Orkan sich entwickelte.“ Dadurch habe er bereits zwölf Stunden vorher die Intensität von „Lothar“ erkannt. „Dafür brauche ich keine 634 Millionen Mark teure Computeranlage wie der DWD“, erläutert der Meteorologe vom privaten Wetterdienst.
Der Schweizer hatte am Sonntagabend bereits in der ARD-Sendung „Brennpunkt“ verkündet, das Orkantief habe ihn nicht überrascht. Der DWD hätte es nur nicht vorhergesagt. Das Dementi kam gestern aus der Chefetage des staatlichen Dienstes: „Wir haben am Samstagabend den Sturm in Süddeutschland vorhergesagt“, erklärt Andreas Friedrich. Sonntagmorgen sei dann die Unwetterwarnung rausgegangen. Einen Tag vorher habe niemand das Orkantief voraussagen können, verteidigt der amtliche Meteorologe seinen Dienst: Es sei ein „Klecks“ über dem Atlantik gewesen, der sich „rasend schnell“ entwickelt habe.
Wo Jörg Kachelmann vor „Lothar“ gewarnt habe, ist Friedrich nicht bekannt: „Im Nachhinein kann man immer sagen, ich habe es geahnt.“ Kachelmann dagegen beschwert sich, dass die staatlichen Dienste nicht auf die Meldungen der privaten achten würden, sondern nur auf ihre eigenen technischen Berechnungen. „Es gab schon den Fall, dass ein Computer eine Wetterlage wahrnimmt, die er nicht kennt, und sie dann aussortiert“, meint Kachelmann und wirbt für seine semi-manuelle Meteorologie. Isabelle Siemes
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