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Vermander wirft den Schlapphut

■ Nach einer Reihe von Skandalen gibt der Chef des Verfassungsschutzes auf. Vier tote Kurden und ein fälschlich beschuldigter Mitarbeiter waren zu viel für Eduard Vermander

Seit gestern ist es amtlich: Der Chef des von Pleiten, Pech und Pannen verfolgten Berliner Verfassungsschutzes, Eduard Vermander, geht. Ein Sprecher der Innenverwaltung bestätigte, dass Vermander zum 1. Juli 2000 auf seinen eigenen Wunsch aus persönlichen und familiären Gründen mit Vollendung des 63. Lebensjahres aus dem Dienst scheidet. Bündnis 90/Grüne, PDS und SPD haben die Entscheidung gestern als überfälligen Schritt begrüßt.

Nach Auffassung des Fraktionsvorsitzenden der Grünen, Wolfgang Wieland, trägt Vermander „ganz persönlich“ die Verantwortung für die beiden letzten großen Skandale, die der Verfassungsschutz produziert hat. Unter der Regie des Geheimdienstchefs ist der Berliner Polizeidirektor Otto Dreksler vom Verfassungsschutz zu Unrecht als Mitglied der Scientologen eingestuft worden. Außerdem hat Vermander laut Wieland einen Aktenvermerk vernichtet, der nach der Entführung des Kurdenführers Öcalan eine mögliche Gefährdung der isrealischen Einrichtungen belegte. Anschließend hat er den Vermerk durch eine allgemein gehaltene Formulierung ersetzt. Wegen des Dreksler-Falls und der Aktenvernichtung sind gegen Vermander und dessen Mitarbeiter mehrere Ermittlungsverfahren anhängig.

Als Schuldeingeständnis Vermanders ist die vorzeitige Niederlegung des Amtes allerdings nicht zu werten. Es scheint eher so zu sein, dass der Verfassungsschutz-Chef verbittert über die nicht abreißende Kritik an dem Landesamt war. Unklar ist, inwieweit Innensenator Eckart Werthebach (CDU) bei der Enscheidung nachgeholfen hat. Offiziell erklärte Werthebach gestern, dass er das Ausscheiden von Herrn Vermander „sehr bedauere“, weil dieser den Berliner Verfassungsschutz in den Jahren großer Umbrüche und Veränderungen fachlich überzeugend und persönlich engagiert geleitet habe.

Vermander galt als Multitalent, als er 1995 aus Baden Würtemberg auf den Posten des Verfassungsschutzchefs nach Berlin geholt wurde. Der gebürtige Berliner hatte an der FU Jura studiert, bevor er im „Ländle“ alle relevanten Stationen im Sicherheitsbereich durchlief. Auch als Rektor der Polizeifachhochschule in Villingen-Schwenningen und als Polizeipräsident von Karlsruhe hat er gewirkt. Geheimdienstliche Erfahrungen sammelte er als Präsident des Landesamtes für Verfassungsschutz in Baden-Württemberg.

Nach Vermanders Rücktritt glauben die Bündnisgrünen aber nicht, dass sich beim Verfassungsschutz etwas ändern wird. „Ein Nachfolger, der von Werthebach bestellt wird, wird keinen grundlegenden Wandel bewirken“, ist Wolfgang Wieland überzeugt. Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD, Kerstin Flesch, will in der Koalition darauf pochen, dass der Posten offiziell ausgeschrieben wird. Ferner will sie sich dafür einsetzten, dass die Führungskraft zunächst nur auf fünf Jahre bestellt wird, wie es ein neues Gesetz ermöglicht, und nicht wie bisher gleich auf Lebenszeit. Plutonia Plarre

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