: XXL-Wichtigkeit in Dauerpräsenzperson
Ein zart fühlendes und tief lotendes Porträt des Modemeiers Wolfgang Joop – nebst der Frage, was er mit Joschka Fischer will
„Wieder bin ich gefangen in Splendid Isolation, dreht sich die Welt um mich, und ich habe keinen Zutritt zu ihren Geheimnissen. Weiß nicht, wie nah oder wie fern mir Gott ist. Gottgleich möchte man sich wenigstens im Traum, neu erschaffen können und ahnt schon wieder das unperfekte Resultat.“ Wer faselt so durch Nacht und Wind? Das ist Wolfgang Joop, gaga und blind. Wolfgang Joop schließt die Augen, stützt elegisch den Kopf mit den Händen und macht Brainstorming, das sich treffender als Brabra bezeichnen ließe. Das Brabra galoppiert und kündet von der Größe des Herrn. Die Welt dreht sich um den gottgleichen Wolfgang Joop. Hässlichkeit würde er verbieten. Er würde nur noch sich selbst „treffen wollen“, ganz unter sich bleiben in Splendid Isolation, der Klapsmühle für Neurotiker de luxe.
Es wäre jedoch falsch, würde man aus der ein wenig nach verschwitzter Pubertät riechenden Lyrik schließen, Wolfgang Joop sei größenwahnsinnig. Er ist vielmehr einer, der gerne protzt und im Austausch mit Anzeigen Spiegel, Zeit und überhaupt alles vollschreibt und jedes Format füllt, um allen mitzuteilen: Achtung, hier ist Wolfgang Joop! Ich bin sehr wichtig. Quasi richtig XXL-wichtig.
Mehr ist nicht drin in W. Joop. Ohne Joop als Warenzeichen mit weltweitem Umsatz würde man weit weniger Geduld aufbringen, um sein affiges und weithin als originell geltendes Getue über sich ergehen zu lassen. Weil das Mediengewerbe aus seiner Mitte immer neue Gestalten hervorbringt, die Joop jederzeit das Wasser reichen bzw. auch abgraben könnten, muss er dauerpräsent sein. Zuletzt überlegte er, in die Politik einzusteigen. Ein origineller Gedanke, der jedem schon einmal gekommen ist. Die meisten sind klug geworden und haben die juvenile Schnapsidee frühzeitig an den Nagel gehängt.
Nicht so Mr. Universum. Er entschied sich für die FDP, obwohl „die SPD könnte mir auch gefallen“, und auch die Grünen wären nicht schlecht, aber da stören ihn „die Grabenkämpfe“. „Politik braucht Köpfe, und ich habe einen“, sagt er, und bewundernd nimmt man sein anatomisches Fachwissen zur Kenntnis. Die FDP jedenfalls braucht seiner Meinung nach einen Berater in Sachen Outfit, denn sie „ist so gesichtslos geworden wie eine Modemarke, die am Boden liegt“, und da kennt sich Wolfgang Joop aus, da bückt er sich gern. „Herrn Westerwelle würde eine andere Brille gut tun, auch dem Vorsitzenden Wolfgang Gerhardt könnte ich optisch helfen“, legt Joop offenherzig seine Beweggründe dar, die Chance zu ergreifen, eine ganze Partei neu einzukleiden, um seinem Laden neue Märkte zu erschließen. Das wäre ja okay, aber auch der Weltmann Joop kann es sich nicht verkneifen, seine einwandfreie moralische Gesinnung auf den Laufsteg zu schicken. Er wolle sich für die FDP einsetzen, weil er sich „Sorgen um die politische Mitte mache“. Wieso, fragt man sich erschrocken, ist die FDP plötzlich radikal geworden, und niemand hat etwas bemerkt? Und trifft sich nicht sowieso schon alles und jeder in der politischen Mitte und reklamiert sie für sich?
Aus „Verantwortungsgefühl gegenüber meinem Heimatland“ würde sich Wolfgang Joop das Joch der Politik aufhalsen, und man weiß, dass jemandem, der selbstlose Gefühle predigt und sich mit allerhand schmieriger Verantwortung salbt, zuallerletzt zu trauen ist, und wenn er noch so gierig nach dem Arm von Johannes B. Kerner und anderen Talkshowgestalten grapscht, die nicht bei drei auf den Bäumen sind und durch die er sich seiner medialen Existenz versichert.
Keine sehr glitzernde Existenz, in Talkshows jugendlichen Charme versprühen zu müssen, um bei älteren Damen gut anzukommen. Oder bei älteren Herren wie Joschka Fischer, den der träumende Joop gerne zum besten Freund in ganz Europa hätte. Was mag er an ihm finden? Will er ihn von den Vorzügen des Liftens überzeugen? Will er tatsächlich mit ihm „für natürliche Brennstoffe und gegen Atomenergie“ demonstrieren? Will er wirklich in einem Alter, in dem die ersten Probleme mit der Prostata auftreten, noch ausprobieren, „wer den weitesten Strahl pinkeln kann“? Und was soll an der zur Schau getragenen Infantilität originell sein, dem bemühten Nachweis, dass man auch mit über fünfzig noch jung und bescheuert sein kann? So bescheuert, dass er sich selber vor Begeisterung bepisst nach der Niederschrift folgender Eingebung: „Ich bin der erste rot-grüne Präsident der USA und so genial, dass ich mein Wesen, mein Gehirn, meine Talente scannen lassen werde, damit jeder mit mir drahtlos, virtuell Kontakt aufnehmen kann und sich selbst nach meinem materiellen Verschwinden mit mir beraten kann.“
Unangenehme Vorstellung. Warum sollte man das tun? Sollte man nicht vielmehr still und leise sein „materielles Verschwinden“ begrüßen, weil man dann nicht mehr mit Wolfgang Joop kontaminiert wird? Will er uns selbst diese kleine Freude vermiesen?
Klaus Bittermann
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen