: Gutachter fühlt sich falsch verstanden
■ Rückendeckung für den Schlammpeizger: Das Hollerland soll nicht bebaut werden, sagt der Autor des letzten Gutachtens in einer Deutlichkeit, die in dem Gutachten bisher noch fehlte
Der Hamburger Zoologe Horst Wilkens fühlt sich falsch verstanden. Im Auftrag der Bausenatorin und des Wirtschaftssenators hatte Wilkens das letzte Gutachten über den ökologischen Nutzen des Hollerlandes erstellt. Geprüft werden sollte, ob das Naturschutzgebiet wertvoll genug sei, um es als europäisches Naturschutzgebiet (FFH-Gebiet) nach Brüssel zu melden. Das Wirtschaftsressort und der CDU-Fraktionschef Jens Eckhoff hatten das Gutachten so interpretiert, dass nicht das gesamte Hollerland gemeldet werden müsse, sondern nur die Teile, in denen der seltene Schlammpeizger sein schwimmendes Unwesen treibt.
Gegen diese Interpretation wendet sich jetzt der Gutachter selbst: „Wenn man die ,Gesamtbeurteilung' auf Seite 31 meines Gutachtens liest, so ist doch eigentlich klar, dass ich das Gebiet für FFH-würdig halte“, schreibt der Hamburger Professor in einem Brief am 5. Januar an seinen Kollegen Herrmann Cordes, Sprecher der Bremischen Naturschutzbeiräte und Universitätsprofessor. Die „Pannlake“ (salzhaltige Wassergräben über einem Salzstock) sei ein prioritärer Lebensraum mit dem momentanen Charakter einer Brackstelle. Das Westliche Hollerland sei durch das Auftreten „etlicher“ gefährdeter Arten charakterisiert, der wichtigste davon sei der Schlammpeizger.
Dass sein Gutachten derart falsch verstanden wird, wundert Wilkens. „Die Zerschneidung des Naturschutzgebietes durch eine Straße halte ich aus ökologischen und Artenschutzgründen für genauso wenig zulässig wie den Bau von Gewerbegebieten. Es ist mir rätselhaft, aus welchen Passagen meines Gutachtens derartige Schlüsse gezogen werden konnten“, schreibt er.
Der Streit um die Meldung des Hollerlandes könnte Bremen viel Geld kosten. Denn eigentlich ist die Frist, die Brüssel für die Meldung der FFH-Gebiete gesetzt hat, am 31. Dezember 1999 ausgelaufen. Die Europäische Union hat angedroht, Millionenbeträge aus dem EU-Topf „Strukturfonds“ einzufrieren. Doch der Streit zwischen SPD und CDU hat bislang eine vollständige Meldung nach Brüssel verhindert: Nur drei von neun möglichen Gebieten wurden bislang nach Brüssel gemeldet. Die SPD-Umweltsenatorin Tine Wischer will auch die restlichen sechs Gebiete melden, der CDU-Wirtschaftssenator sträubt sich.
Im Umweltressort wollte man sich nicht zu dem Brief unter Kollegen äußern, zeigte sich aber verwundert, dass die Klarstellung nicht auch an die Auftraggeber des Gutachtens geschickt wurde. Auch die umweltpolitische Sprecherin der SPD, Waltraud Hammerström, sagte : „Hätte er seine Aussagen so deutlich ins Gutachten geschrieben, hätte es auch keine mißverständlichen Interpretationen gegeben.“ CDU-Fraktionschef Eckhoff sprach von einem „merkwürdigen Widerspruch zu den Aussagen des Gutachtens“ Man werde nun Kontakt zu Wilkens suchen, um eine klare Aussage zu erhalten.
Derzeit läuft eine behördeninterne Abstimmung mit anderen Bundesländern, um die Bremischen Meldekriterien mit denen anderer Bundesländer zu vergleichen. Die umweltpolitische Sprecherin der Grünen, Karin Mathes, warnt ob der neuerlichen Zeitverzögerung: „Es ist offenkundig nur noch eine Frage von Tagen, bis den EU-Verantwortlichen völlig zu Recht der Kragen platzt und der Geldhahn zugedreht wird“. Die „Bürgerinitiative für die Erhaltung des Hollerlandes“ zeigte sich dagegen überzeugt, dass sowohl dem Bundesumweltministerium als auch der EU-Kommission bekannt sei, „mit welchen dubiosen Methoden in Bremen die Meldung der FFH-Gebiete hintertrieben wird“.
cd
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