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Deutscher geht’s nicht ■ Von Karl Wegmann
Die Deutschen deutschen gerne alles ein. Nur wenige können dieser geradezu zwanghaften Eindeutscherei entgehen. So darf der neue Thomas Pynchon hierzulande zwar „Mason & Dixon“ heißen, doch bei Stephen King ist Schluss. Sein Roman „The Girl Who Loved Tom Gordon“ wurde kurzerhand in „Das Mädchen“ gekürzt.
Das ist bei King und auch bei John Grisham (aus „The Pelican Brief“ wurde z. B. „Die Akte“) üblich: So kurz wie möglich. Deutsche Verlage wollen Leser von „Unterhaltungsliteratur“ nicht überfordern. Am tollsten wird es, wenn das Buch verfilmt wird.
Dann haben die Verleiher ein Problem. Orginaltitel? Kommt nicht in Frage, die Deutschen können kein Englisch. Orginaltitel korrekt übersetzen? Vielleicht. Aber wie heißt das Buch zum Film in Germany? Wegen dem Wiedererkennungswert und so. Oft heißen Buch und Film dann unterschiedlich, beide Namen haben aber mit dem Orginaltitel absolut nichts zu tun. Meine liebste Eindeutscherei ist schon etwas älter. Der Roman „Deliverance“ von James Dickey heißt bei uns „Flußfahrt“ und der Film dazu „Beim Sterben ist jeder der erste“. Ja, so sind wir Deutsche, immer schön blumig und dramatisch, aus „Le Samourai“ machen wir „Der eiskalte Engel“. Warum, weiß kein Schwein. Man darf natürlich raten.
Ich stelle mir immer folgende Szene vor: Der Verlag hat gerade die Rechte an einem neuen Ami-Krimi gekauft. Das Ding geht sofort an die Übersetzerin, die auf englische Literatur des 18. und 19. Jahrhunderts spezialisiert ist und kein US-Slang-Wörterbuch besitzt, aber auch irgendwie ihre Brötchen verdienen muss. Um den Titel braucht sie sich nicht zu kümmern, dafür gibt’s Spezialisten. Was macht eigentlich der neue Praktikant gerade? Der neue Praktikant ist 16 Jahre alt und findet den Titel „The Bone Collector“ von Jeffery Deavers Serial-Killer-Thriller einfach ekelig. Also überlegt er ein paar Stunden und schon heißt das Buch „Die Assistentin“ und landet in den meisten Buchhandlungen auf den Verkaufstischen mit Frauenliteratur. Jetzt kommt der Film. „Assistentin? Voll stumpf! Mit uns nicht“, sagt der Verleih, überlegt zwei, drei Tage, und aus dem „Knochensammler“ wird „Der Knochenjäger“ – was immer das ist. Der Goldmann-Verlag kriegt das mit und wirft „Die Assistentin“ wieder auf den Markt, diesmal unter dem Titel „Der Knochenjäger“. Und in 15 Jahren bringt ein Kleinverlag aus dem Schwarzwald, in durchnummerierter, streng limitierter Auflage und neu übersetzt, das Buch wieder heraus – selbstverständlich unter dem ursprünglichen Titel.
Frage eins: Warum kann man sich in Malmö mit jedem Teenager in Englisch unterhalten? Antwort: In Schweden, aber z. B. auch in den Niederlanden werden nur Kinderfilme synchronisiert. Alle anderen laufen im Orginal mit Untertiteln. Das hat einen interessanten Effekt: Die Kinder fiebern dem Tag entgegen, an dem sie endlich einen Orginalfilm sehen dürfen, denn diese Filme sind besser, weil sie für „die Großen“ sind. In Deutschland hingegen bekommen „die Großen“ nicht mal den Orginaltitel zu sehen.
Letzte Frage: Warum werden eigentlich keine CDs übersetzt? Antwort: Dann wären die ganzen Deutsch-Rocker und Deutsch-HipHopper ja arbeitslos.
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