: Nouvelle Wok und hartgekochte Dotter-Schocker
Am Rande der Grünen Woche produziert die deutsche Agrarwirtschaft jetzt auch Kino
Der internationale Film schwimmt seit Jahren im Fett der Fresswelle. Der Erfolg ausländischer Nouvelle-Cuisine-Filme wie „Das Große Fressen“, „Die Melonen von Navarone“ oder „Manche mögen Reis“ veranlasste die Centrale Marketing Gesellschaft der deutschen Agrarwirtschaft (CMA), in die Filmförderung einzusteigen und zum Gegenschlag gegen die kulinarische Überfremdung deutscher Leinwände auszuholen. Hier ein erster Blick in die Speisekammer des Neuen Deutschen Gastro-Films:
Mit „Das heiße Ei“, dem Low-cost-Remake des Hollywood-Erfolgs „Der weiße Hai“, hat die CMA einen Film finanziert, der das Zeug zum echten Kassenknüller hat. Trotz der extrem niedrigen Produktionskosten ging Regisseur Bernd Möhl keine faulen Kompromisse ein: Nur absolut frische Landeier von freilaufenden Hühnern waren ihm gut genug, in seinem perfekt getimeten Bio-Thriller mitzuwirken. In dem nervenzerfetzenden Dotter-Schocker geht es um Ted Kling, einen „hard-boiled“ Hormonen-Prediger, dessen Sekte zwar Vielweiberei gestattet, Vieleierei hingegen strikt ablehnt. Als Ted eines Morgens jedoch schwach wird und von einer seiner Frauen dabei ertappt wird, wie er sich eine Omelette aus zwölf Eiern anrührt, ist der Weg ins Verderben vorprogrammiert ...
Möhl hält mit diesem locker inszenierten Sittengemälde einer satten, heuchlerischen Gesellschaft in aufrüttelnder Weise den Cholesterinspiegel vors Auge.
Zwei Brüder, zwei Welten, zwei Soßen. Auf diese einfache Formel ließe sich „Der Soßenkrieg“ des Regie-Routiniers Holger Schapfer bringen: Während Jens Keil in seinem Gourmettempel „Chez Jens“ nur erlesenste Zutaten zu raffinierten Saucen komponiert, setzt sein ungleicher Zwillingsbruder in seiner Fernfahrerkneipe „Bei Willi“ unverzagt auf Eimerware aus deutschen Landen. Beide können damit leben, und die Kundschaft ists zufrieden. Bis zu dem Tag, als die Testesser eines Restaurantführers Willis Küche mit einer goldenen Schöpfkelle auszeichnen – und „Chez Jens“ dieselbe aberkennen. Verwechslung, Komplott, Intrige – oder einfach nur der verständliche Wunsch überreizter Testessergaumen nach solider Hausmannskost? Schapfer setzt einen tödlichen Wettlauf zweier Küchenphilosophien in Gang, an dessen Ende jeder sein Fett abbekommt.
In „Der Spinat, der aus der Kälte kam“, dem ersten magenfüllenden Spielfilm des Regisseurs Volkhart Biendl, ist der Kalte Krieg noch lange nicht vorüber. Der Agententhriller erzählt die Geschichte von Ivan Iglov, der im Dienste des gefürchteten Kulinarisch-Gastronomischen Büros (KGB) die Geheimrezepturen der deutschen Spinat verarbeitenden Industrie ausspionieren soll. Doch er hat seine Rechnung ohne Betriebsleiter Emmerling gemacht, der den russischen Spinatspion zu einer „Besichtigung“ des unterirdischen Pürierwerks einlädt, bei der Iglov die faszinierende Leistungsfähigkeit des deutschen Präzisionsmaschinenbaus am eigenen Leib zu spüren bekommt ...
Mit dem eiskalten Thriller tischt uns die Berliner Delikat-Film ein starkes Stück Spannungskino auf, die Hoffnung auf weitere fidele Gastro-Reißer macht.
Mit Reinhold Hartliebs „Stäbchen im Kopf“ bringt die CMA einen weiteren spannenden Food-Thriller in die deutschen Kinos. Es ist die Geschichte des städtischen Gaststättenkontrolleurs Peter Ungeler, der bei der Routineüberprüfung eines China-Restaurants eine leicht überständige Frühlingsrolle beanstandet und deshalb von einem Rollkommando der Chinesen-Mafia in die im Titel angedeutete, peinliche Lage versetzt wird. Kaum aus der Klinik entlassen, macht sich Ungeler auf seinen ganz persönlichen Rachefeldzug gegen das Glutamat-Syndikat ...
Fernab von den brutalen Schnitten fernöstlicher „Nouvelle Wok“-Ästhetik entführt uns der opulent ausgestatte Historienschinken „Der Schmalzbaron“ mit ruhigen Bildern in die behäbige Welt Altwiener Schnitzelseligkeit. Erzählt wird die Geschichte vom kometengleichen Aufstieg des steierischen Großbauern Josef Luggenegger, der um die Jahrhundertwende mit der Einführung modernster Schweinezuchtmethoden zu Ruhm und Reichtum kommt. Der enorme Schmalzbedarf der Wiener Hofküche ist der Schlüssel zu seinem geschäftlichen Erfolg. Als Kaiser Franz Josef II. ihn für seine Verdienste zum k. u. k. Hofschmalzlieferanten ernennt, scheint er seine Konkurrenten endgültig ausgeschmiert zu haben. Doch Istvan Szegölt, der ungarische „Ölprinz“, holt zum Gegenschlag aus und macht mit geschickter Mundpropaganda die mehrfach ungesättigten Fettsäuren seines Sonnenblumenöls zum Tagesgespräch der Wiener Hofgesellschaft. Jetzt wird das Wiener Küchenparkett auch für den Schmalzbaron zunehmend rutschiger ...
Und nach dieser ersten Kostprobe der auf der Grünen Woche vorgestellten cineastischen Leckerbissen lässt sich jetzt schon sagen: der Ernteeinsatz deutscher Regisseure hat sich gelohnt!
Rüdiger Kind
Die Internationale Grüne Woche in den Messehallen am Berliner Funkturm ist noch bis zum 23. Januar geöffnet. Eine Tageskarte kostet 20 Mark, ermäßigt 12 Mark.
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