Standbild: Schweinereien
„NetzNatur: Schwein – haben oder sein“, Do., 20.15 Uhr, 3 sat
In der Jungsteinzeit hätte man Schwein sein mögen: Da galt noch der ehrenvolle Zweikampf im Unterholz, Eber für Eber, Mann für Mann. Bis, ja bis eines Tages ein jungsteinzeitlicher Jäger (oder war’s am Ende eine Jägerin) an die Muttersau geriet. Die musste natürlich dran glauben, aber – so stellt es zumindest die Reihe „NetzNatur“ des schweizerischen Fernsehens liebevoll im gar nicht mehr so jungsteinzeitlichen Tessiner Unterholz nach – die kleinen Ferkelchen rührten unsere Vorfahren doch herziglich und wurden kurzerhand mitgenommen: Das Hausschwein war erfunden.
Seit 7.000 Jahren ist nun schon in Wahrheit das Borstenvieh des Menschen bester Freund und ihm als Allesfresser auch in (fast) allem ähnlich. Was übrigens auch „NetzNatur“-Moderator Andreas Moser durch innigliche Umarmungen alter Hausschweinrassen nicht müde wurde zu betonen. Der gelernte Biologe präsentierte einen Schweinsgalopp durch Römerreich und Mittelalter, um schließlich im heutigen Mastzeitalter anzukommen. Und da wurde die bisher ganz gelungen Sendung zur Lach- und Sachgeschichte für Erwachsene. Durch Zusicherung „objektiver und neutraler Berichterstattung“ hatte sich die Redaktion Zutritt zu Schweinefarmen der übleren Sorte erkauft, wo die Tiere dicht an dicht zu Flüssigfutter verarbeitete Artgenossen verabreicht bekommen, um alsbald möglichst blass und billig unsere Kühltheken zu bereichern. Merke: In puncto Tierschutz und Haltevorschriften sind die Schweizer Schweine dabei noch besser dran als ihre EU-Gevattern. Doch allzu unbestimmt verläpperte dann der Handlungstrang, italienische Schweine buddelten nach Trüffeln, und dann kamen auch die geklonten Ferkel von Oxford ins Bild, die dereinst dem Menschen als Organspender dienen sollen. Gerade hier wurde es spannend, doch allzu vorausschauend konnte und wollte „NetzNatur“ nach 7.000 Jahren schweinischer Geschichte wohl nicht mehr sein. Schade eigentlich.
Steffen Grimberg
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