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Third Culture Kids

Shunji Iwai über weiße Japaner und seinen Film „Yentown – Swallowtail Butterfly“

Für manche kam sie einer kleinen Offenbarung gleich, die Begegnung mit dem Werk des japanischen Regisseurs Shunji Iwai. Mit gleich vier Filmen stand er im Zentrum des Hamburger Filmfestivals „Zwischen Himmel und Hölle – Das japanische Kino der 90er-Jahre“. Jeder von ihnen zeigte, dass mit Iwai ein neuer Autor die Bühne des World Cinema betreten hat, der den Vergleich mit Wong Kar-Wai oder Takeshi Kitano nicht zu scheuen braucht.

Sein Boxoffice-Hit „Love Letter“ war eine melodramtische Reflexion über die Erinnerung, die romantische Fantasie „Picnic“ eine Reise ans Ende des Wahns, und „April Story“, Iwais letzter Film, fand zur klassischen Form zurück.

Der bisherige Höhepunkt des Handkamera-verliebten Schaffens des ehemaligen TV-Regisseurs bleibt das Migrantendrama „Yentown – Swallowtail Butterfly“ aus dem Jahr 1996. Der Film, der jetzt in einigen Berliner Kinos gezeigt wird, ist eine postmoderne tour de force entlang den Feldern Neoliberalismus, Globalisierung und Rassismus: Shunji Iwai erzählt in MTV-Bildern vom Überlebenskampf in den „barrios“ eines futuristischen Tokio. tn

taz: Herr Iwai, wie real sind die in Yentown beschriebenen gesellschaftlichen Verhältnisse?

Shunji Iwai: Es gibt natürlich Migranten in der japanischen Geselllschaft, und ich habe vor dem Dreh versucht, mich bei Journalisten und anderen, die sich besser auskennen als ich, zu informieren. Einige der Schauspieler sind Laiendarsteller, Einwanderer, auf die ich über Freunde und Freunde von Freunden gestoßen bin. Wichtig war mir, die „Yentowns“ nicht nur als Opfer einer Gesellschaft zu zeigen, sondern als Menschen, die ein eigenes Leben führen.

In Yentown fällt das Wort „Third Culture Kids“. Was bedeutet das?

Die im Film auftretende Yentown-Band gibt es wirklich, und Leute wie den „Superwiser“ auch. Die nennen sich tatsächlich „Third Culture Kids“. Es sind Leute, die in Japan geboren sind und fast nur noch Japanisch sprechen. Wenn so etwas passiert wie die Clinton-Affäre, werden sie immer gefragt, wie das möglich ist, und sie sind genervt, weil sie auch nicht mehr wissen und nur wegen ihres Äußeren angesprochen werden. Es gibt in Japan zudem dieses alte Problem mit Koreanern, die im Zweiten Weltkrieg nach Japan verschleppt wurden und deren Nachkommen noch immer diskriminiert werden. Ihre Identitätsprobleme unterscheiden sich aber von denen der Amerikaner. Für die Japaner sind sie „Weiße“ und werden das immer bleiben. Sie stehen tatsächlich zwischen den Kulturen. Als Japaner werden sie nicht anerkannt, und Amerikaner sind sie auch nicht mehr. Dadurch kann aber auch etwas Neues entstehen.

Seit „Love Letter“ gelten Sie als einer der Innovatoren des japanischen Kinos. Was ist neu an Ihrer Herangehensweise?

Das Wichtigste ist eine gute Geschichte. Es gibt aber noch einen anderen Aspekt: Technik. Japanische Regisseure schätzen das Spirituelle oft so sehr, dass sie den Rest vergessen. In den 80er-Jahren gab es deshalb einen seltsamen Niedergang des Filmhandwerks, gemessen etwa an den Standards, die Kurosawa in den 60er-Jahren gesetzt hatte. Takeshi Kitano gehört auch zu den Leuten, die das ändern wollten. Er ist aber von Haus aus Schauspieler und traut sich deshalb nicht, seinen professionellen Kameraleuten reinzureden. Ich mag ihn als Geschichtenerzähler, aber seine Bilder sind so statisch. Interessanterweise fanden Publikum und Kritik das ungeheuer innovativ. Als ehemaliger Video-Clip-Regisseur würde ich solche Bilder nie durchgehen lassen! Interview: Tobias Nagl

„Yentown – Swallowtail Butterfly“. Regie: Shunji Iwai. Mit: Ito Ayumi, Chara, Hiroshi Mikami u. a. Japan 1996, 146 Min.

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