Kommentar: Die Appetitzügler
■ Warum der Widerstand gegen einen autofreien Tag in Hamburg so stark ist
Natürlich gibts an dieser Idee im Grundsatz nichts auszusetzen. Höchstens dieses: Sie geht nicht weit genug. Ein einziger Tag pro Jahr ohne Autos kann, so er kein Alibi sein soll, nur ein Anfang sein. Doch allein diesen durchzusetzen, wird schon einen ungeheuren Kraftakt erfordern.
Die Beharrungskräfte derer, denen Freiheit ohne automobile Fortbewegung unvorstellbar ist, sind mächtig. Handelskammer, ADAC und ihre Lobbyisten in Boulevardblättern und Behörden werden nicht kampflos ihre Dienstwagen in der Tiefgarage lassen.
Stutzig macht indes, mit welchem Volldampf sie auf alles losbrettern, was dem Bleifuß im Wege zu stehen droht. Sie könnten sich ihrer Sache doch sicher sein. In der Gewissheit, dass das Auto der Deutschen liebster Begleiter bleibt, in der Überzeugung, dass niemand den LKW verbieten will, der den Supermarkt an der Ecke beliefert. Gelassen könnten sie den paar Leutchen die Straßen für einen Tag überlassen; und wenn die sich ausgetobt haben, fahren alle fort wie gewohnt.
Ihre Nervosität verrät die Furcht, zu viele Menschen könnten Appetit auf mehr bekommen. Könnten sich jeden Tag Spaziergänge um die Außenalster und Kaffeetrinken im Straßencafé ohne Lärm und Abgase vorstellen, könnten gar aufs Rad umsteigen, weil sie keine Angst mehr haben müssten, unter die Räder kavaliersstartender Rechtsabbieger zu geraten.
Die Autofreunde könnten doch souverän den Souverän entscheiden lassen. Doch diese Probe aufs Exempel scheuen sie. Sie werden schon wissen, warum. Sven-Michael Veit
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