: Freier Pfad für freie Bürger
GAL und SPD wollen einen autofreien Werktag am 22. September. Handelskammer bangt um den Standort ■ Von Sven-Michael Veit
Martin Schmidt weiß genau, was auf ihn zukommen wird: „Das geht bestimmt nicht ohne Streit ab“, prophezeit der stellvertretende Fraktionschef der GAL. Er stellte ges-tern das Konzept für einen Tag ohne Autos in Hamburg vor. Am Freitag, dem 22. September soll der „Auto-Frei-Tag“ den „Lebenswert in dieser Stadt“ für zumindest 24 Stunden deutlich erhöhen. Und „Appetit auf mehr machen“, hofft Schmidts Fraktionskollege Hans-Peter de Lorent.
Die Idee zu dem Tag stammt vom Präsidenten der Europäischen Kommission, Romano Prodi. Im vorigen Jahr hatten sich 158 Großstädte in Frankreich und Italien an der Aktion beteiligt. Der Hamburger Handelskammer aber schlagen die grünen Ideen auf den Magen: Diese „Konflikt erzeugende Politik ist nicht akzeptabel“, protestiert Reinhard Wolf, Leiter des Bereiches Verkehr bei der Kammer. Ein autofreier Werktag würde den Wirtschaftsverkehr lähmen und, fürchtet Wolf, „die Axt an den Stamm des Standorts legen“.
In der Tat mögen die Vorschläge von Schmidt und de Lorent für Auto-Fans wie ein Horrorkatalog klingen. In jedem Bezirk sollten die zwei Straßen „mit den höchsten Lärm- und Schadstoffwerten voll gesperrt“ werden, zum Beispiel die Kieler Straße in Eimsbüttel oder die Wandsbeker Chaussee. In der City sollten zusätzliche Straßen aus dem Autoverkehr gezogen werden, rund um die Alster würden die Grünen gern ausschließlich Radfahrer und Skater sehen.
Tempo-30-Zonen könnten von Schulen und Kindergärten „übernommen“ werden. Gemeinsames Spielen wäre so als „Bewegungs- und Umwelterziehung“ Bestandteil des Aktionstages. Günstiger Radverleih, Fahrrad-Sternfahrten von den Vororten in die City, Schnupperangebote des Hamburger Sportbundes unter freiem Himmel und Nulltarif in Bussen und Bahnen sind weitere Punkte des Konzepts.
Am autofreien Tag 1999 hatten sich unter anderem Paris und Marseille, Rom und die Fiat-Stadt Turin beteiligt. Allein in Paris hatte sich der Schadstoffausstoß um fast ein Drittel vermindert. Hamburg solle nun „die erste deutsche Metropole werden, die da mitmacht“, hoffen die Grünen. Morgen in der Bürgerschaft wollen sie mit der SPD einen entsprechenden Antrag an den Senat verabschieden. Dieser solle dann für einen koordinierten Ablauf des Auto-Frei-Tages und für Werbung bei Organisationen und Vereinen sorgen. „Wir unterstützen das“, sagt SPD-Fraktionssprecher Armin Huttenlocher, Zwang oder Verbote kämen aber nicht in Frage. Und die „vielen schönen Ideen“ müssten noch „auf ihre Realisierbarkeit hin überprüft werden“.
Positiv reagierte gestern bereits der HVV. Das mit dem Nulltarif sei „durchaus vorstellbar“, sagte Pressesprecherin Gisela Becker. Die Einnahmeverluste von „vermutlich mehreren 100.000 Mark“ müsste aber die Stadt ausgleichen. „Wir prüfen das“, kommentierte wortkarg die Behörde von SPD-Verkehrssenator Eugen Wagner. Immerhin kein klares Nein.
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