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Hochschulen: Jede für sich. Alle gegen alle

■ In einer Analyse des Wissenschaftsrats schneiden die Berliner Universitäten schlecht ab. Die Expertenrunde kritisiert mangelnde Kooperation und ausgeprägtes Prestigedenken. Besonders rückständig: die FU-Juristen

Die Zukunftspläne der Berliner Universitäten sind nicht zukunftsweisend. Zu diesem niederschmetternden Ergebnis kommt der Kölner Wissenschaftsrat, der vom früheren Kultursenator Peter Radunski (CDU) mit der Bewertung der hauptstädtischen Wissenschaftslandschaft betraut worden war. In einer Stellungnahme, die der taz in einem ersten Entwurf vorliegt, machen die Experten vor allem die mangelnde Kooperationsbereitschaft der Hochschulen für die Misere verantwortlich.

Vor zwei Jahren hatten die drei Berliner Universitäten und die Hochschule der Künste unter heftigem Protest der Studenten jeweils separate Strukturpläne beschlossen, die angesichts der Sparzwänge eine drastische Verringerung der Professorenzahl vorsahen. Kurz darauf hatte Radunski den Wissenschaftsrat darum gebeten, erstmals die Universitätslandschaft eines ganzen Bundeslandes zu begutachten. Das 54-köpfige Expertengremium, das Bund und Länder in Wissenschaftsfragen berät, setzt sich aus Vertretern von Wissenschaft, Wirtschaft und Verwaltung zusammen.

Fehlende Zusammenarbeit bemängelten Experten vor allem im Verhältnis von Freier Universität (FU) und der Humboldt-Universität (HU), deren Fächerangebot sich weitgehend überschneidet. Insbesondere bei Orchideenfächern wie Latein oder Griechisch, Ägyptologie oder Altorientalistik erweist sich das Besitzstandsdenken der beiden Universitäten als fatal. Aus Prestigegründen wollen FU und HU gleichermaßen nahezu alle Fächer anbieten – notfalls mit nur einer Professorenstelle. Viel sinnvoller wäre es nach Ansicht des Wissenschaftsrats, diese Disziplinen jeweils nur einmal anzubieten, dafür aber in angemessener Ausstattung.

Auch die großen Disziplinen schöpfen durch ihren Unwillen zur Kooperation das gigantische Potenzial – beispielsweise 49 Professorenstellen bei den Juristen und 66 bei den Wirtschaftswissenschaftlern – bei weitem nicht aus. Die rote Laterne müssen sich die FU-Juristen anhängen lassen. Der Fachbereich sei weit von den „Standards aufgeschlossener Fakultäten“ entfernt. Bei der Zusammenarbeit mit der HU würden „Schwierigkeiten in den Vordergrund gerückt (und nicht etwa Chancen gesucht)“. Besser schneiden die Sprachwissenschaften ab. Allerdings, heißt es, hätten die Romanisten durch eine schlecht abgestimmte Berufungspraxis die „ganz einmalige Möglichkeit“ vertan, an einem Ort alle neun romanischen Sprachen zu lehren.

Auch mit der Technischen Universität (TU) sind die Experten nicht zufrieden. Die Bildung neuer Fakultäten sei „nicht sehr überzeugend“ und die Kooperation mit den Fachhochschulen „nicht zufriedenstellend“. Eine kleine Sensation ist der Rat, auf die Geisteswissenschaften an der TU weitgehend zu verzichten. Sie seien für das mittlerweile abgeschaffte Studium Generale eingeführt und später als Gegenpol zur linkslastigen FU ausgebaut worden. „Diese Konstellationen sind seit längerem entfallen“, schreibt der Wissenschaftsrat. Ralph Bollmann

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