: Pop-Modernismus
Elegante Techno-Deepness: „The Modernist“ als Party-Live-Act im Westwerk ■ Von Ralph H. Christoph
„Seit 12 Uhr wird zurückgeschwiegen“ – so begrüßt einen derzeit die Hompage von Jörg Burgers Plattform und Label Popular Organisation (www.popular.org). Burger hat momentan nichts mehr mitzuteilen. Ende der Durchsage.
Der Entschluss, sich mit seinem aktuellen Outfit The Modernist und der LP Explosion den Fragen der Presse zu öffnen, produzierte zuletzt zuviel Absurdes, als dass Burger noch Lust gehabt hätte, den ewig gleichen Fragenkatalog zu beantworten. Als ihm dann auch noch ein Text in die Hände fiel, in dem sich der Autor über den Duft seines Eau de Toilette ausließ, war das Maß endgültig voll. Selbst für einen überzeugten Pop-Afficionado alter Schule, wie es Burger nun mal ist.
Es hat ja eine Weile gedauert, bis Burgers multiple Projekte in all ihrer 80er-Jahre-Affintiät und Zitathaftigkeit dechiffriert wurde. Dabei wurde jedoch immer mehr aus den Augen verloren, dass es sich trotzdem und zuallererst immer noch um Techno handelt. Das Sprechen über Techno und Tanzen fiel der allgemeinen Ausstellung von Referenzspektren zum Opfer. Wo man über Prefab Sprout, Scritti Politti, Dexy's Midnight Runners oder ABC reflektieren konnte, ließen sich Themenkomplexe wie Körperlichkeit, Sex, Rausch und Ekstase leicht umschiffen. Sicher, Jörg Burger ist, genauso wie seine Langzeit-Weggefährten Wolfgang Voigt und Lothar Hempel, mit denen er die Projekte Burger/Ink. (auch Burger/Voigt) und Trinkwasser unterhält, ein geschmacksicherer Kenner des Pop-Kanons. Damit jedoch die Musik Burgers erklären zu wollen, kann nur scheitern.
Wie anders soll man also reagieren, wenn doch die Modernist Explosion nur der aktuelle Zwischenstand einer mittlerweile zehn Jahre währenden Schaffensperiode abbildet? Hat dieser äußerst elegant designte Groove nicht genug Funk im Tank und Zucker im Schuh, als dass sich jedes Wort erübrigen würde? Offensichtlich nicht. Was einst auf einer von Thomas Fehlmann zusammengestellten Compilation namens Teutonic Beats (nur ungern erinnert man sich an den damaligen Duktus „deutschen“ Technos) begann, befindet sich nun im Zustand höchster Vollendung. Angetrieben vom Willen, das perfekte Klangdesign zu erarbeiten, hat sich Burger immer weiter in die Materie von Komposition, Arrangement und Mastering eingegraben (niemand tauscht sein Equipment häufiger aus, als Jörg Burger), um noch strahlendere und edlere Produktionen herauszulassen.
Heute ist daraus eine unverkennbare Handschrift geworden. Mehr noch: Der Swing des Modernist ist zu einem Blueprint des sogenannten Sound of Cologne geworden und hat dementsprechend viele Epigonen und Kopisten auf den Plan gerufen. Doch nirgendwo anders sind Klang-ästhetik, Artwork und Präsentation zu einer derart kohärenten corporate identity zusammengeflossen als bei Burgers Popular Organisation. Der absolut zwingende Swing dieser Musik, nachzuhören auf den bisherigen Veröffentlichungen, den 12-Inches Dale Bop Horizon, Mrs. New Deal und Architainment, sowie den beiden LPs Opportunity Knox und der aktuellen Explosion, zieht weite Kreise – und nicht nur auf dem Dancefloor, wo dieses Gift nach wie vor am meisten Wirkung entfaltet. Während in Japan und neuerdings auch den USA reges Interesse an Burgers Qualitäten herrscht, nimmt die Verbreitung hierzulande andere Wege. Denn nach seinem heutigen Hamburger Auftritt landet Burger nach einem Abstecher in Barcelona dort, wo Techno weniger mit den Füßen als mit dem Kopf gelebt wird: im Kunstverein zu Karlsruhe.
Aber auch dort gilt: Schweigen ist Silber, Tanzen ist Gold. Denn bei aller Liebe zum Pop-Zitat, sowie seinen Ursachen und Folgen, der Grundstein für Techno Kölner Provenienz, wie wir ihn heute kennen, wurde nachts im Club gelegt. Dort hatten sowohl Jörg Burger als auch Wolfgang Voigt Ende der Achtziger zum ersten Mal die 303-Acidsignale vernommen, die sie von nun antreiben sollten. Dieser Club hatte übrigens einen durchaus signifikanten Namen: Rave.
The Modernist Explosion + DJs Harre und Henry, Westwerk, Admiralitätsstr. 74, Sa, 5.3., ab 23 Uhr
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